Der Schwarzwald ist im Ausnahmezustand! Eine Elitetruppe des deutschen Sondereinsatzkommandos SEK jagt seit Sonntag den 31-jährigen Yves Rausch. Der Waldmensch hat mehrere Polizisten entwaffnet und schaffte es, mit vier entwendeten Dienstpistolen und bis zu 64 Schuss in den Wald zu fliehen. Zuvor wurden die Beamte von einem Zeugen alarmiert, der einen bewaffneten Mann in Tarnkleidung beobachtet hatte. Rausch war mit Pfeil und Bogen, Messer und einer Pistole bewaffnet.
Seit über 24 Stunden wird nach dem Einsiedler mit Ziegenbart, wie die «Bild» ihn beschreibt, gesucht. Laut der Polizei sei er sehr gefährlich und in einem «psychischen Ausnahmezustand». Der Polizeieinsatz läuft auch in der Nacht auf Dienstag auf Hochtouren. Mit Hubschrauber, Hundestaffel und Wärmebildkameras wird nach dem Flüchtigen gefahndet. Die Elitetruppen umstellten am Montag immer wieder Areale im Wald. Doch von Yves Rausch fehlt bislang jede Spur.
Hütte ist total verdreckt
Yves Rausch kennt sich aus in dem Gebiet. Er lebt seit einigen Monaten im Wald in einer roten Hütte, in die er sich eingenistet hatte. Aufnahmen zeigen, wie einfach der Wald-Rambo hauste. Ein Bett, ein Tisch, ein Camping-Kocher, um sich etwas zum Essen zu zubereiten. Auf den Bildern ist auch zu sehen, wie Müll und Gerümpel vor der Hütte liegen.
Im Inneren sieht es nicht besser aus. Auch dort herrscht Chaos. Vieles liegt auf dem Boden verteilt. Ein Schraubenzieher, eine Spaghetti-Packung, mehrere Kissen. Bei dem Polizeieinsatz wurde alles auf den Kopf gestellt. An der Wäscheleine, die Rausch über das Bett spannte, hängt noch Kleidung.
Laut Anwohnern hatte er sich bis vor einem Jahr mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Dann wurde seine Wohnung zwangsgeräumt, weil er seine Miete nicht bezahlte. Seither hat Rausch keinen festen Wohnsitz mehr. Erst habe er in seinem Auto gehaust, das er beim lokalen Schwimmbad parkierte. Dann bezog er eine kleine Hütte in der Gartensiedlung in der Nähe des Waldes, wo die Beamten am Sonntag nach einem Notruf auf ihn trafen.
Zog plötzlich eine Pistole
Der Besitzer der Laube hatte am Sonntag die Polizei gerufen, weil sich Rausch dort einfach eingenistet hatte. Als die Beamten eintrafen, sass Yves Rausch am Tisch und machte einen entspannten Eindruck, wie Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer am Dienstag mitteilt. Er händigte freiwillig seine Waffen aus. Bogen, Pfeile und einen Speer.
Danach sollte eine Leibesvisitation folgen. «Doch Yves Rausch weigerte sich. Als ein Polizist sich ihm dennoch näherte, zog er eine bis dato unbekannte Pistole und richtete sie auf den Beamten», so Schäfer weiter. Der «Wald-Rambo» forderte daraufhin die Waffen der Polizisten. Sie sollten die Pistolen auf den Boden legen und sich dann davon entfernen. Daraufhin nahm der Einsiedler die Waffen an sich und flüchtete.
Schoss mit Armbrust auf Ex-Freundin
Nun wird er mit Haftbefehl wegen räuberischer Erpressung gesucht. Laut Schäfer ist Rausch polizeibekannt und galt davor schon in der Gegend als «seltsamer Typ» und «Waffennarr». Wieso Yves Rausch plötzlich die Pistole zog und auf die Polizei richtete, ist unklar. Bisher sei aber klar, dass kein politischer beziehungsweise rechtsradikaler Hintergrund vorliegt, so der Oberstaatsanwaltschaft.
Fakt ist aber auch: Rausch wurde schon wegen Körperverletzung verurteilt. Im Alter von 20 Jahren geriet er 2010 mit seiner Ex-Freundin aneinander. Im Streit griff er zu einer Armbrust, spannte und drückte ab. Der Pfeil traf die Frau und verletzte sie. Rausch rief gleich den Notruf. Für die Armbrust-Attacke musste der «Wald-Rambo» drei Jahre in den Knast. Waffen darf er seitdem nicht mehr besitzen.
Bürgermeister schliesst Schulen, Kindergärten und Badis
Weil er als gewaltbereit gilt, hat die Suchaktion nun auch Folgen für die ganze Region. Der Bürgermeister der Stadt Oppenau, Uwe Gaiser, hat am Montagabend die Schliessung der Schulen, Kindergärten und Badis angeordnet. Die Bevölkerung wurde zu grosser Wachsamkeit aufgerufen.
Während die Menschen im Schwarzwald gebannt den Polizeieinsatz mitverfolgen, werden immer mehr Details zum «Wald-Rambo» publik. Yves Rausch war nicht bloss ein friedlicher Waldmensch. Er ist laut «Bild» mehrfach vorbestraft. Sein Strafregister umfasse Dutzende Einträge.
Yves Rausch in Militär-Ausrüstung
Besonders gefährlich mutet ein Bild von Rausch an, das die «Bild» am Dienstagmorgen veröffentlicht: Es zeigt den Flüchtigen mit einer Ausrüstung, die jener einer Spezialeinheit ähnelt. Am Kopf hat Rausch ein Nachtsichtgerät befestigt, um den Hals trägt er einen Gegenstand, der einem Atemfilter gleichkommt. Auch eine taktische Weste, einen Waffengürtel und ein Waffenholster hat er sich umgeschnallt. Wann das Foto aufgenommen wurde, ist unklar.
Nach seiner Flucht scheint Yves Rausch wie vom Schwarzwald verschluckt. Trotzdem ist die Polizei zuversichtlich. «Wir werden nicht nachlassen», sagte der Offenburger Polizeipräsident Reinhard Renter gestern. «Wir haben einen langen Atem.» Das gilt aber auch für den «Wald-Rambo». Er hinterliess in der örtlichen Beiz ein Schreiben, wie «Baden Online» berichtet. Der Titel «Der Ruf der Wildnis». Darin heisst es: «Im Wald, in der Wildnis, hat Mensch vor allen Dingen eines: Zeit.» Die Suche nach dem Einsiedler dürfte zur Zerreissprobe werden. (nim/jmh/SDA)