30 Jahre Mauerfall
Sie war die Tochter eines DDR-Offiziers – und gab wegen der Liebe alles auf

Stephanie Schumacher (54) hatte alle Privilegien, die man als Tochter eines hohen Offiziers in der DDR haben konnte. Als sie das Land kurz vor dem Mauerfall wegen der Liebe verlassen wollte, liess sie ihr Vater fallen.
Publiziert: 02.11.2019 um 13:12 Uhr
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Stephanie Schumachers (54) Eltern arbeiteten für den Staat, der Vater war sogar ein hoher DDR-Offizier.
Foto: Philippe Rossier
Rebecca Wyss

Für Stephanie Schumacher fällt die Mauer am 26. August 1989. An jenem Tag fährt die DDR-Bürgerin mit ihrem Schweizer Ehemann in einem LKW voller Möbel zur Grenze und hofft, dass sie es problemlos in die Schweiz schafft. Auf einer Toilette am Grenzübergang wird sie von einer Frau aus Westdeutschland gefragt, ob sie aus dem Osten sei. «Man hat mir die Panik angesehen», sagt sie und blickt auf den nebelverhangenen Vierwaldstättersee. Hier lebt die 54-Jährige heute. Als Unternehmensberaterin. Für das Leben in der Schweiz hat sie damals alles andere aufgegeben.

Schumacher wächst als Tochter von DDR-Funktionären auf. Ihr Vater ist ein hoher Offizier der Nationalen Volksarmee, der DDR-Armee. «Wir hatten viele Privilegien», sagt sie. Manchmal fährt der Vater in Berlin zum Checkpoint Charlie, um im Westen ein paar Orangen für die Familie zu besorgen. Sie selbst lebt als junge Frau in einer eigenen Wohnung. Mit Farbfernseher. Andere warten Jahre nur schon auf eine Wohnung. Sie hat viele Freunde, die aus dem Zwangssystem rauswollen. «Für mich kam das nie in Frage.»

Bis sie in Ost-Berlin einen Berner Oberländer kennenlernt. Mit ihm will sie leben. Jenseits der abgeriegelten Mauer. Ein Schock für die Eltern. «Mein Vater hatte Angst um seine Karriere», sagt sie mit ungerührter Miene. «Er liess mich fallen.» Und überlässt sie den Männern von der Staatssicherheit, Stasi, die sie in einem Lada ständig beschatten. Schikane. Das geht fast zwei Jahre lang so. Plötzlich bekommt sie doch noch einen DDR-Ausreisepass. Und verlässt das Land – ohne zu wissen, wann sie ihre Familie wiedersieht.

Der 9. November «war schlimm für mich», sagt sie. Die ganze Nacht lang macht sie in ihrem Bett im Berner Oberland kein Auge zu. Aus Angst um die Eltern. Nicht ohne Grund, wie sich später zeigt. Viele andere Funktionäre der Staatspartei SED verschwinden nach dem Ende der DDR für Jahre hinter Gitter. Schumachers Eltern kommen davon.

21 Jahre spricht sie nicht mit ihrem Vater. Heute haben sie wieder Kontakt. Er soll eine Beziehung zu seinen beiden Enkelinnen haben, sagt sie. Und wirft zum Schluss ein: «Wir sprechen nicht über die Vergangenheit.»

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