So aussichtslos war die Situation an der Bewerbungsfront noch nie: Versicherer wie Zurich suchen fürs nächste Ausbildungsjahr händeringend Lehrlinge, doch sie können keine ausmachen.
«Dieses Jahr sind weit und breit keine geeigneten Ausbildungswillige zu finden», sagt Karin Bou im Gespräch mit BLICK. Die 41-Jährige ist als Leiterin Nachwuchsentwicklung für die 240 Lehrlinge von Zurich Schweiz verantwortlich. Bou ist alarmiert: «Waren in anderen Jahren zu dieser Zeit schon längst alle Lehrstellen weg, konnten wir aktuell die Hälfte der Ausbildungsplätze noch nicht besetzen.»
Ein ähnliches Bild bietet sich bei den Mitbewerbern Axa Winterthur und Allianz Schweiz. Dabei stehen Einsteigern bei den grossen Versicherern derzeit weit über 100 Lehrstellen offen. Allein Zurich sucht für den Herbst 2012 in der Deutschschweiz noch 34 Auszubildende. Rund die Hälfte davon in Zürich, aber auch in der Ost- und Zentralschweiz sowie in Basel und Bern gibts freie Plätze.
Dass die KV-Lehre in der Schweiz beliebt ist, bestätigen die bereits 400 bis 500 Bewerbungen, die sich zuletzt bei Bou auf dem Schreibtisch stapelten. Allerdings: «Über 80 Prozent sind unbrauchbar. Der Grossteil der Bewerbungen entspricht nicht unseren Vorstellungen», sagt Bou. Die Noten der Bewerber seien dabei gar nicht mal das Problem.
Bewerber überzeugen nicht
In den meisten Fällen wären sie zufriedenstellend. Vielmehr sei es die Einstellung der angehenden Lehrlinge. Die Bewerbungsdossiers wirkten standardisiert und lieblos verfasst. «Dann wirken sie beim Bewerbungsgespräch auch noch unvorbereitet und unmotiviert», stellt Bou fest. Nicht mal auf die einfachsten Fragen hin wüssten sie zu überzeugen.
Von ähnlichen Fällen spricht Bernd de Wall von Allianz Schweiz: «Es ist eine Tatsache, dass die Qualität der Bewerbungen immer öfter nicht unseren Anforderungen genügt.»Der Verdacht drängt sich auf, dass den Jugendlichen standardisiertes Antworten eingetrichtert wird und sie dadurch abgestumpft werden. «Fast alle antworten, dass sie gerne im Team und am Computer arbeiten und als Hobby gerne lesen», sagt Bou.
Motivation muss stimmen
Es komme eben sehr auf die Lehrpersonen an den Schulen an und wie sehr sich diese für die Schulabgänger reinhängen. Auch das Elternhaus sei bei Berufswahl und Vorbereitung gefordert. Der akute Mangel an qualifizierten Bewerbern gibt jetzt auch Bewerbern ohne Top-Noten die Chance, eine KV-Lehrstelle zu finden.
«Es ist wohl so leicht wie noch nie, einen guten Ausbildungsplatz zu ergattern, wenn die Motivation stimmt», sagt Bou. Die 15- bis 16-jährigen Lehranwärter müssen sich nur besser verkaufen. Bou rät: Dossier und Gespräch gut vorbereiten, individueller Auftreten, damit die junge Persönlichkeit zum Vorschein kommt, und sagen, warum man gerne etwas macht. Und ruhig mal dazwischenlachen, das macht sympathisch. «Ein Bewerbungsgespräch ist ja keine Beerdigung», sagt Bou.