Die Sprüche «Arbeit macht frei» oder «Jedem das Seine» prangten über den Eingangstoren von zahlreichen Konzentrationslagern. Und werden zu häufig genutzten Hashtags bei Instagram: Immer wieder brauchen junge User die Nazi-Sprüche, die zur puren Verhöhnung der KZ-Häftlinge dienten, unwissentlich als Kommentar für Büro-Selfies oder Schnappschüsse beim Job.
Nazi-Sprüche als Kommentar für lustige Büro-Selfies
Rund 28'750 Posts finden sich bei Instagram unter dem Hashtag #arbeitmachtfrei. Neben Fotos von Konzentrationslagern finden sich erschreckend viele Bilder, die so gar nichts mit dem Holocaust zu tun haben. «Montagmorgen und ich bin voll #motiviert», schreibt etwa eine Userin und ergänzt ihr Büro-Bild mit Hashtags #bürojob, #gutelaune und #arbeitmachtfrei.
Auch der Spruch «Jedem das Seine» wird bei Instagram häufig in einem Kontext genutzt, der nichts mit dem Holocaust zu tun hat. Dafür taggen Insta-User Fotos vom veganen Paprika-Linsen-Znacht oder kitschiger Weihnachtsdeko mit dem Nazi-Zitat, das beim KZ Buchenwald hing.
Junge Leute vergessen Hintergrund zu Zitat
«Bei solch einprägsamen Zitaten kann sich der Kontext häufig lösen», sagt Winfried Ulrich, Professor für Sprachwissenschaften an der Uni Kiel, gegenüber «Welt.de». Besonders junge Leute seien davon betroffen, da ihnen alles, was mit dem Dritten Reich zu tun hat, weniger bekannt sei. «Zitate wie ‹Arbeit macht frei› schnappen sie dann einfach irgendwo auf und vergessen den Hintergrund dazu.»
Bei Instagram zeigt sich dies besonders gut. «Sprache ist ständig in Bewegung. Die Leute haben das Zitat im Kopf und wenden es auf ihre eigene Situation an», erklärt Ulrich.
Nur die Hälfte der über 14-Jährigen wusste, was Auschwitz ist
Die Nazi-Sprüche landen also bei Instagram, weil die betroffenen User oft kaum eine Ahnung über das Dritte Reich haben. Wie wenig junge Leute über den Holocaust wissen, enthüllte eine neue Studie der Hamburger Körber-Stiftung: Knapp mehr als die Hälfte, 59 Prozent, der deutschen Schüler ab 14 Jahren wussten, dass Auschwitz-Birkenau ein Nazi-Konzentrationslager war.
Sven Tetzlaff, Leiter des Bildungsbereichs der Körber-Stiftung, sieht die Verwendung des Hashtags #arbeitmachtfrei kritisch. «Wenn man so gedankenlos Begriffe und Sprüche verwendet, die ganz klar historisch belegt sind, ist das bitter», sagt er zu «Welt.de». Die leichtfertige Verwendung des Zitats gefährde das Bild, das Deutschland in der Welt abgebe. «Ausserdem werden wir damit unserer historischen Verantwortung nicht gerecht. Das ist eine dramatische Entwicklung, die gestoppt werden muss.» (kad)