Arbeit
Bundesrat will Überbrückungsrente für Ausgesteuerte über 60

Ausgesteuerte Personen über 60 Jahre sollen eine existenzsichernde Überbrückungsrente erhalten bis zur ordentlichen Pensionierung. Das schlägt der Bundesrat vor, neben Massnahmen zur Förderung inländischer Arbeitskräfte.
Publiziert: 15.05.2019 um 16:46 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2019 um 18:47 Uhr

Die Landesregierung will damit nicht zuletzt erreichen, dass die Bevölkerung hinter der Personenfreizügigkeit mit der EU steht. Diese sei wichtig für die Schweiz, doch sie habe auch Nachteile, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch vor den Medien in Bern.

Sie erinnerte an das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP. Die Analysen hätten gezeigt, dass viele ältere Personen Ja gestimmt hätten - aus Furcht davor, aus dem Arbeitsmarkt verdrängt zu werden. Das müsse der Bundesrat berücksichtigen, sagte Keller-Sutter.

Sie denkt dabei vor allem an die Begrenzungsinitiative, mit welcher die SVP das Ende der Personenfreizügigkeit fordert. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab, präsentiert nun aber neue flankierende Massnahmen.

Diese gezielten Verbesserungen seien ohnehin nötig, könnten aber im Abstimmungskampf helfen, sagte Keller-Sutter auf entsprechende Fragen. Zustande gekommen seien sie dank den Sozialpartnern. Dass diese die Reihen geschlossen hätten, sei wichtig mit Blick auf die anstehenden Entscheide, sagte Keller-Sutter. «Der Bundesrat will keine gespaltene Schweiz.»

Die meisten Massnahmen zielen auf ältere Arbeitnehmende ab. Verlieren Personen über 50 Jahre ihre Arbeit, haben sie oft Mühe, wieder eine Stelle zu finden. Mit einem dreijährigen Impulsprogramm soll das Beratungsangebot der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) für ältere Personen ausgebaut und verbessert werden. Dafür will der Bundesrat jährlich 62,5 Millionen Franken ausgeben.

Erwachsene ab 40 Jahren sollen ausserdem eine kostenlose Standortbestimmung, Potenzialanalyse und Laufbahnberatung in Anspruch nehmen können. Bei Berufsabschlüssen sollen Aus- und Weiterbildungen konsequenter angerechnet werden.

Verbesserungen soll es aber auch für jene geben, die trotz allem keine Arbeit finden und im Alter von 60 Jahren oder mehr ausgesteuert werden, also keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung mehr erhalten. Sie sollen zum einen leichter Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen erhalten.

Zum anderen sollen sie nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein, sondern bis zur Pensionierung eine Überbrückungsleistung erhalten. Damit wolle der Bundesrat eine Lücke im Sozialsystem schliessen, sagte Sozialminister Alain Berset. Finanziert werden soll die neue Leistung mit Bundesgeldern.

Eine solche Rente soll nur erhalten, wer mindestens 20 Jahre lang in die AHV eingezahlt hat. Zudem muss er oder sie weniger als 100'000 Franken Vermögen haben, wobei selbst bewohntes Wohneigentum nicht angerechnet würde. Die Berechnung der Überbrückungsleistung würde auf den Vorschriften für die Ergänzungsleistungen basieren. Weil während des Bezugs der Überbrückungsleistung noch keine AHV-Rente bezogen werden kann, würde der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf aber um einen Zuschlag von 50 Prozent erhöht.

Die Rente der Pensionskasse würde nach Abzug eines Freibetrags als Einkommen angerechnet. Bei einer Weiterversicherung in der bisherigen Pensionskasse könnten die Beiträge als Ausgabe angerechnet werden. Plafoniert werden soll die Überbrückungsrente auf den dreifachen Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf. Für Alleinstehende sind das 58'350 Franken, für Ehepaare 87'525 Franken.

Betroffen sei eine kleine Gruppe, doch diese sei in einer schwierigen Situation, sagte Berset. Laut dem Bundesrat geht es um rund 2500 Personen im Jahr. Im Jahr 2018 wurden 2657 Personen über 60 ausgesteuert. Die höchste Zahl wurde im Jahr 2004 mit 4001 Personen verzeichnet, die tiefste 2009 mit 1697 Personen.

Für 2018 würde die Überbrückungsrente rund 95 Millionen Franken kosten. Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass 60 Prozent der ausgesteuerten Personen einen Anspruch auf die maximale Leistung haben. Die Kosten für die Folgejahre wären höher, da mehr Personen hinzukämen.

Weitere Massnahmen zielen auf die Integration von Ausländerinnen und Ausländern in den Arbeitsmarkt ab. Seit 2018 gibt es die Integrationsvorlehre für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Der Bundesrat will das Programm nun auf junge Zuwanderer ausserhalb des Asylbereichs ausweiten.

Gleichzeitig sollen die Integrationsvorlehren auf die Berufsfelder Information- und Kommunikationstechnologie sowie die Pflege ausgeweitet werden. Darüber hinaus will der Bundesrat schwer vermittelbaren Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt mit finanziellen Zuschüssen erleichtern.

Die meisten Massnahmen sind zeitlich befristet bis 2024. Insgesamt beziffert der Bundesrat die Kosten beziehungsweise das Investitionsvolumen auf rund 300 Millionen Franken. Gesetzesänderungen braucht es nur für die Überbrückungsrente. Der Bundesrat hat das Innendepartement (EDI) beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten.

(SDA)

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