Blamage für US-Präsident Donald Trump: Die Republikaner haben die Abstimmung über die von ihm gewollte Abschaffung von «Obamacare», der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama, zurückgezogen - mangels Erfolgsaussichten. Das gab die Parteiführung am Freitag in Washington bekannt.
Präsident Trump soll den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, um diesen Schritt gebeten haben. Die Republikaner hatten bis kurz vor Beginn der für den Nachmittag (Ortszeit) angesetzten Abstimmung nicht annähernd die erforderlichen 216 Stimmen beisammen.
Vorausgegangen war ein tagelanger Polit-Krimi, bei dem Trump persönlich versucht hatte, ausreichend viele parteiinterne Kritiker umzustimmen. Eine Alternative für die bei Republikanern verhasste Gesundheitsversorgung Obama war eines der zentralen Wahlversprechen des neuen Präsidenten.
Grosse Bewährungsprobe
«Wir müssen auf absehbare Zukunft mit »Obamacare« leben», sagte Ryan. «Wir waren kurz davor, aber wir habe es nicht ganz geschafft.» Der Ablauf des Verfahrens sei enttäuschend. Die Oppositionschefin im Repräsentantenhaus, die Demokratin Nancy Pelosi, bezeichnete den Freitag dagegen als «grossen Tag für das amerikanische Volk.»
Die Abstimmung galt als erste grosse Bewährungsprobe für die Frage, ob Trump in der Lage sei, schwierige politische Projekte im Parlament durchzusetzen. Während der ersten beiden Monate seiner Regierungszeit hatte er vor allem Dekrete erlassen, die keine parlamentarische Debatte erfordert, dementsprechend meist aber auch wenig Wirkung entfaltet hatten.
Kritiker hatten bemängelt, Trump habe den von ihm massgeblich initiierten und vom Sprecher des Abgeordnetenhauses, Ryan, eingebrachten Gesetzesentwurf überhastet vorangetrieben. Er wurde von moderaten Republikanern als zu drastisch und vom konservativen Flügel als zu wenig weitgehend abgelehnt.
Manche Republikaner lehnten «Obamacare» unter anderem deshalb ab, weil es aus ihrer Sicht zu viel staatliche Einmischung in den Versicherungsmarkt vorsieht und durch höhere Beiträge für Wohlhabende eine Vermögensumverteilung bedeutet.
Keine Versicherungspflicht unter Trump
Nicht zuletzt wollten die Republikaner die Gesundheitsreform wohl auch deshalb stoppen, weil sie ein Prestige-Projekt der demokratischen Obama-Regierung war. Trump nannte «Obamacare» im Wahlkampf sowie als Präsident immer wieder ein «Desaster». Die Versicherung sei viel zu teuer und belaste Millionen von Amerikanern.
Der republikanische Entwurf sah im Gegensatz zu «Obamacare» keine Versicherungspflicht für alle vor. Ein Programm zur kostenlosen Versicherung für Bedürftige sollte eingeschränkt werden. Die Subventionierung von Beiträgen würde nach Alter und nicht mehr primär nach Einkommen gestaffelt. Die geplanten Zuschüsse über Steuergutschriften sollten deutlich magerer ausfallen als die Hilfen unter «Obamacare».
Trump erklärte sich nach Medienberichten noch am Donnerstag bei einem Treffen mit dem «Freedom Caucus» genannten rechten Flügel der republikanischen Abgeordneten zu Änderungen bereit. So wurden einige Pflicht-Versicherungsleistungen gestrichen. Das reichte den Berichten zufolge allerdings nicht, um genügend Mitglieder der Fraktion umzustimmen.
Republikaner kritisierten Vorschlag
Moderaten Republikanern war die Kompromisslösung wiederum zu riskant, weil Millionen bisher versicherter Amerikaner wieder ohne bezahlbare Krankenversicherung dastehen könnten. Den Abgeordneten schlug in ihren Wahlkreisen wachsende Kritik entgegen. Trump hatte gedroht, Abgeordnete würden bei den Kongresswahlen im Herbst 2018 Mandate verlieren, wenn sie nicht zustimmen.
Das unabhängige Budgetbüro des Kongresses schätzt, dass auch mit den jüngsten Nachbesserungen nach dem Plan der Republikaner im kommenden Jahr 14 Millionen weniger Amerikaner krankenversichert wären als unter «Obamacare». Im Jahr 2026 wären es demnach 24 Millionen Versicherte weniger. (SDA)