Das Fazit ist glasklar: «Der öffentliche Verkehr ist für Menschen mit Behinderung vielerorts, aber noch nicht überall zugänglich.» Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem am Mittwoch publizierten Postulatsbericht, den das Bundesamt für Verkehr (BAV) erarbeitet hat.
Zwar sind gemäss dem vom Walliser alt SP-Nationalrat Mathias Reynard (35) initiierten Bericht in den vergangenen Jahren viele Anlagen und Fahrzeuge so angepasst worden, dass Fahrgäste mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität selbstständig reisen können. Bloss: Bei den Bushaltestellen und auch bei den Bahnhöhen seien nach Ablauf der gesetzlichen Frist Ende 2023 noch immer Lücken absehbar.
«Grosser Handlungsbedarf» bei Bushaltestellen
Bei den Bushaltestellen wird per Ende 2023 nur etwa ein Drittel den Vorgaben entsprechen, wie der Bundesrat schreibt. Hier bestehe für Kantone und Gemeinden als verantwortliche Strassen- und damit Haltestelleneigentümer noch «grosser Handlungsbedarf».
Im Bahnverkehr werden per Ende 2023 rund sechzig Prozent der Bahnhöfe für Menschen mit Beeinträchtigung autonom nutzbar sein, wie es weiter heisst. Weil die Bahnen die wichtigsten Stationen prioritär angepasst hätten, könnten über achtzig Prozent der Reisenden davon profitieren.
541 Bahnhöfe werden jedoch erst nach Ende 2023 baulich angepasst sein. «Gegenüber dem letzten Standbericht hat sich die Zahl der Bahnhöfe, die verspätet umgebaut werden, nochmals deutlich erhöht», heisst es im Bericht. Die Bahnbetreiber gäben als Grundfehlende Ressourcen bei Planung, Personal und fehlende Zeitfenster für die Bautätigkeit an.
Zwanzigjährige Anpassungsfrist wird überschritten
Handlungsbedarf verbleibt auch bei den eidgenössisch konzessionierten Seilbahnen. Menschen mit Beeinträchtigungen können per Ende 2023 rund drei Viertel dieser Anlagen autonom nutzen.
Besser sieht es gemäss Bericht bei Bussen und Bahnwaggons aus. Auch der konzessionierte Personen-Schiffsverkehr werde bis Ende 2023 grösstenteils gesetzeskonform sein.
Das Behindertengleichstellungsgesetz hält fest, dass der öffentliche Verkehr spätestens ab Ende 2023 barrierefrei und damit für Menschen mit Behinderung grundsätzlich autonom nutzbar sein muss. Für die Umsetzung sind grundsätzlich die Transportunternehmen und Infrastrukturbetreiber verantwortlich.
«Es ist zu bedauern, dass die zwanzigjährige Anpassungsfrist, die der Gesetzgeber den Unternehmen eingeräumt, hat, teilweise erheblich überschritten wird», schreibt der Bundesrat. Sanktionsmöglichkeiten sieht das Behindertengleichstellungsgesetz nicht vor. «Insbesondere finanzielle Sanktionen wären in diesem Zusammenhang kontraproduktiv», so der Bundesrat.
Überbrückungsmassnahmen geplant
Wo die autonome Benutzung des öffentlichen Verkehrs durch Menschen mit Beeinträchtigung nicht bis Ende 2023 möglich wird, haben die konzessionierten Unternehmen abgestimmt mit den Haltestelleneigentümern Überbrückungsmassnahmen zu gewährleisten.
Bei Anlagen, die aus Gründen der Verhältnismässigkeit gar nicht angepasst werden, müssen die Unternehmen Ersatzlösungen anbieten. In beiden Fällen steht Unterstützung durch Personal der Transportunternehmen im Vordergrund.
(SDA/oco)