Wie sieht eine Frau aus, die 400 Bewerbungen schrieb und nichts als Absagen erhielt – frustriert, geknickt, niedergeschlagen? Nichts davon trifft auf Isabella Maria Bordoni zu.
Die 62-Jährige sieht aus, als gehe es ihr gut, blendend sogar. Dabei hat sie jüngst Bekanntschaft mit den unschönen Seiten der Marktwirtschaft gemacht.
Vor einem Jahr suchte Bordoni einen Job. Vieles kam infrage, denn sie hat schon allerlei Erfahrung, als Leiterin einer Kundenbetreuung etwa oder als Assistentin der Geschäftsleitung. Aber so einfach war das nicht.
Fehlende Qualifikation oder Motivation war nicht das Problem. Es ging um ihr Alter. Sie war damals 61. Vielen Firmen war das zu alt.
Unangenehm für jüngere Mitarbeiter
Manche redeten die Diskriminierung schön. Sie sei überqualifiziert, hiess es dann. Vielfach sagten ihr die Personalchefs aber offen heraus, was Sache war. Das tönte etwa so: Den jüngeren Mitarbeitern sei es unangenehm, einer Frau Aufträge zu erteilen, die im Alter ihrer Eltern sei. Bordoni: «Ich bekam einen Lachanfall. Wenn das unsere Gesellschaft ist, dann ist das traurig!»
Was sie erlebte, kennen viele im Land. Wie die jüngste Statistik zeigt, die der Bund diese Woche publizierte, wollen 830'000 Menschen aller Altersklassen arbeiten oder ihre Pensen aufstocken. Ein Angebot, das niemand nutzt. «Ein Wahnsinn», nennt es Bordoni.
Sie gehört zur Generation Babyboomer und kenne viele Altersgenossen, die sich gerne mehr einbringen würden. Die sich überhaupt wieder irgendwie einbringen möchten. «Viele würden auch für weniger arbeiten, für den halben Lohn etwa», sagt die Zürcherin.
Zurückweisung ist selten schön
Bordoni reagierte untypisch auf die Absagen: «Ich sagte mir, wenn eine Firma mein Potenzial nicht sieht, ist sie es auch nicht wert.» Eine selbstbewusste Haltung. Die habe sie zuerst lernen müssen, das schafft man kaum alleine.»
Aber jeder reagiert anders auf Zurückweisung. Schön ist sie selten. Und es macht etwas mit den Leuten. Auch darum spricht Bordoni mit SonntagsBlick. Sie will Betroffenen Mut machen: «Aus der Opferrolle raus, aktiv werden und rausgehen, mit Leuten reden und sich nicht zu Hause einigeln.»
In der Schweiz wird derzeit darüber diskutiert, das Rentenalter für Frauen zu erhöhen. Wer aus Altersgründen keine Stelle mehr findet, kann über die Diskussion nur den Kopf schütteln. Wie Isabella Maria Bordoni: «Das Rentenalter 65 ist ein Witz!» Noch vor der Pensionierung wären bereits viele in die Altersarmut gerutscht. Sie kenne Menschen in genau dieser Situation. «Das ist eine Zeitbombe in den nächsten Jahren.»
Mittlerweile ist sie pensioniert. Vorzeitig. Die Einbusse sei ihr «schnurz». Dass man von der AHV nicht leben kann, sei aber Tatsache. Einen goldenen Fallschirm hatte sie nicht, privilegiert sei sie trotzdem. Weniger wegen des Materiellen, vielmehr weil sie Ballast loswurde. Darunter auch die Dreieinhalb-Zimmer-Maisonette-Wohnung mit Seeblick in Zürich: «Man muss lernen zurückzustufen.» Nun wohnt sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung: «Mich muss deswegen niemand bedauern.»
Kürzlich war sie drei Monate auf Reisen, hauptsächlich in Asien. Was ihr auffiel, als sie heimkehrte: «Hier spricht niemand über Probleme, hier schweigt man lieber.»