Nach Angaben der Polizei wurden am Freitag mehr als 100 Personen festgenommen. Bei Zusammenstössen wurden demnach 27 Beamte verletzt. Zuvor waren hunderttausende Demonstranten weitgehend friedlich durch die Hauptstadt Algier gezogen.
In Online-Netzwerken war zum Protest unter dem Motto «Sie werden alle gehen» aufgerufen worden. Nach dem erzwungenen Rücktritt von Langzeit-Präsident Abdelaziz Bouteflika stören sich die Demonstranten unter anderem an der Einsetzung seines langjährigen Weggefährten Abdelkader Bensalah als Interimspräsidenten.
Bensalah hatte am Mittwoch den Wahltermin auf den 4. Juli festgelegt und «transparente» Wahlen angekündigt. Viele vor allem junge Demonstranten sehen darin aber nur die Fortsetzung eines bestehenden Systems. «Ich werde nicht wählen. Wozu auch?», sagte der 22-jährige Walid in der Hauptstadt Algier.
Die Menge vor dem Hauptpostamt, dem zuletzt wichtigsten Versammlungsort, skandierte «friedlich, friedlich". Demonstranten versuchten, Polizeibeamten auf die Seite der Protestteilnehmer zu holen.
Am Dienstag hatte die Polizei erstmals Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt. Am Freitag wurde zudem zum ersten Mal der Zugang zu dem alten Postgebäude in der Hauptstadt Algier abgeriegelt. Der Polizei gelang es aber nicht, die Demonstranten fernzuhalten und zu vertreiben.
Was als Protest gegen Präsident Bouteflika begann, ist innerhalb von zwei Monaten zu einer Demonstration gegen die gesamte algerische Führungselite geworden. Die Demonstranten bemängeln, Wahlen könnten innerhalb des Systems, zu dem Bouteflika gehörte, weder frei noch fair sein. Der einflussreiche Armeechef Ahmed Gaïd Salah wies die «unrealistischen Slogans» der Protestbewegung zurück.
Algerien wird seit Jahrzehnten von einem engen Geflecht aus Militärs, Politikern, Geheimdienstlern und Wirtschaftsvertretern regiert. Bouteflika galt zuletzt nur noch als Gesicht dieser Machtelite. Wichtige Unterstützer des 82-Jährigen hatten sich jedoch zuletzt von ihm distanziert.
Bouteflika war 1999 als Wunschkandidat des algerischen Militärs zum Präsidenten gewählt worden. Zuletzt war er jedoch kaum noch in der Lage, das Amt auszuüben. Seit einem Schlaganfall sitzt er im Rollstuhl und hat grosse Probleme beim Sprechen.
(SDA)