Alberto Tomba, ehemaliger Ski-Star
«Ich will nur noch der wirkliche Alberto sein»

Publiziert: 09.12.2006 um 21:18 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 02:33 Uhr
Von Andy Maschek
«La Bomba» Alberto Tomba (40) war in den 80er- und 90er-Jahren einer der grossen Stars im Ski-Weltcup. In den letzten Jahren ist es ruhig um «La Bomba» geworden. Im Grossen Interview erzählt der Italiener, was er heute macht, wer für ihn die besten Fahrer sind – und was ihn stört.

Wie geht es Ihnen?
ALBERTO TOMBA: Ich fühle mich okay, danke. Ich bin frei. Nein, ich bin beschäftigt, aber mein Ziel waren die Olympischen Spiele in Turin, wo ich Botschafter war. Dieses Engagement ist vor kurzer Zeit ausgelaufen.

Was machen Sie jetzt?
Ich arbeite weiter für meine Sponsoren und vor allem auch für Kinder. Aber nur noch in Europa, nicht mehr in den USA und Japan.

Was heisst «arbeiten für Kinder»? Für den Ski-Nachwuchs?
Ich hatte eine Tomba-Tour in den Staaten und einen Fila-Sprint in verschiedenen Ski-Stationen. Die Anlässe fanden während fünf Jahren jeweils an Wochenenden statt. Ich war da an den Siegerehrungen dabei, war Vorfahrer und habe Kindern in verschiedenem Alter Lektionen gegeben.

Und was verbindet Sie mit der Schweiz?
Ich war schon in Laax. Und natürlich gehe ich gerne zurück nach Wengen und Adelboden – daran habe ich ein Leben lang grossartige Erinnerungen. Zudem habe ich gehört, dass mich die Leute in der Schweiz sehr gerne haben. Das habe ich auch gemerkt, als mich Organisator Antonio Sellitto an seine Sportnacht in Davos eingeladen hat.

Wir haben in letzter Zeit aber sehr wenig von Ihnen gehört...
Ja, wissen Sie, ich will nicht mehr zu viel in den Medien sein. Ich traue nicht mehr allen. Es haben unehrliche Leute mit mir gearbeitet. Ich ziehe es vor, mit meiner Familie zusammen zu sein, mit meinen Freunden.

Was ist denn das Problem?
Wenn man schon in jungen Jahren Siege feiert, wenn man schon früh olympisches Gold gewinnt, folgt einem die ganze Welt. Da braucht man Erfahrung, um das Leben in die richtige Richtung zu lenken.

Aber der Skizirkus ist doch ziemlich familiär...
Man kann einen Skirennfahrer nicht mit Fussballern oder Formel-1-Piloten vergleichen. Für Skifahrer ist es schwierig, einen Manager zu finden – nein, ich liebe dieses Wort nicht: einen Agenten. Jemanden, der ehrlich
für dich arbeitet. Ich habe da schlechte Erfahrungen gemacht, mir wurde viel Geld gestohlen.

Das heisst?
Mehr möchte ich darüber nicht sagen.

Sie haben ja auch eine Karriere als Filmstar angestrebt…
Ja, mit dem Film «Alexander der Widder», das ist acht Jahre her.

Der Film war ein Flop...
...weil vertraglich festgehalten war, dass der
Film nur für Italien ist. Bei den Dreharbeiten war ich übrigens drei Monate mit Michelle Hunziker zusammen. Sie ist eine wirklich nette Person.

Sie haben vorhin von Ihrer Familie gesprochen. Sind Sie verheiratet?
Nein, ich bin frei und fühle mich wohl so. Ich bin ja trotz allem viel unterwegs.

Aber Sie geniessen Ihr Leben nach der Karriere?
Auf jeden Fall. Ich gehe auch ab und zu gerne an Anlässe, erst kürzlich war ich für einen Sponsor in Prag. Da habe ich meiner Mama am Telefon gesagt, wie schön es sei, dass mich immer noch viele Leute gerne haben. Ich habe nicht gewusst, dass sich so viele Leute an La Bomba, an Alberto erinnern, der so viele Rennen gewonnen hat.

Sie waren ja auch eine der letzten grossen Figuren im Weltcup…
Manchmal ist da auch die Presse schuld. Auch in Italien. Da konnte man vielleicht 30 Prozent positive Dinge über mich lesen – aber 70 Prozent wollten immer negative Sachen bringen. Wenn man zu gewinnen beginnt, ist das ähnlich, wie wenn man in der Schule besser ist als
die anderen. Man wird zum Einzelgänger, andere werden eifersüchtig.

Und Sie konnten nie etwas daran ändern?
Nein, aber ich weiss auch nicht, weshalb die Situation so ist. Es wurde viel erfunden, um Magazine zu verkaufen. Natürlich, Tomba kommt aus der Stadt, aus Bologna, und gewinnt im Skirennsport Olympia-Gold. Natürlich, ich war mit Miss Italien liiert, bin in Uniform für die Carabinieri Rennen gefahren. Die Skiwelt hat über meine Shows im Ziel gelacht. Da habe ich einen neuen Stil in den Zirkus gebracht.

Sie waren halt etwas anders...
Wenn man ein Rennen verliert, muss man trotzdem nett zu seinen Fans sein. Ich war eben nie so wie Girardelli, der morgens schon um fünf Uhr aufstand. Ich war von neun bis zwölf Uhr am Berg. Es ist verrückt. Man muss so früh aufstehen beim Skifahren, das ist bei keinem anderen Sport so. Man muss sogar selber Auto fahren, bekommt keinen Chauffeur.

Sie hatten keine Privilegien?
Einmal habe ich einen Helikopter gewünscht, um von Alta Badia nach Campiglio zu kommen. Weil ich Olympiasieger war, habe ich ihn auch bekommen. Wenn ich Zweiter gewesen wäre – das hätte niemand interessiert. Das ist nicht vergleichbar mit Fussball oder Formel 1.

Sie hatten in Ihrer Karriere faszinierende Duelle mit Schweizer Fahrern...
Ja, ich begann mit Pirmin Zurbriggen und hörte mit Mike von Grünigen auf – und dazwischen war Paul Accola. Es war eine schöne Zeit für Pauli und auch für mich. Ich habe halt keine Kombinationen bestritten.

Viele Skifahrer gehen früh ins Bett, Bode Miller sieht man dagegen auch um zwei Uhr noch in der Disco. Wie Sie früher…
Stopp! Tomba war da in der Mitte. Die anderen gingen um neun Uhr ins Bett – ich um elf oder zwölf.

Verfolgen Sie heute den Weltcup noch?
Nicht richtig. Ich war nur in Alta Badia – und natürlich auch an den Olympischen Spielen.

Wer ist der beste Skirennfahrer der Welt?
Wir haben einen grossartigen Raich, der überall gewinnen kann. Aber auch Miller ist stark – und natürlich Maier. Und vergessen wir Giorgio Rocca nicht!

Was denken Sie von Rocca?
Ich wünsche ihm nur das Beste. Er war in der vergangenen Saison ein grossartiger Skifahrer, gewann den Slalom-Weltcup. Aber an Olympia hatte er kein Glück. Dass er in der Kombination die Bronzemedaille verpasste, war schlecht für sein Selbstvertrauen im Slalom. Aber ich denke, er kann künftig auch im Riesenslalom gewinnen. Ich hoffe, dass er bald so wie ich in beiden Disziplinen stark ist.

Vor den Olympischen Spielen gab es Gerüchte, dass Sie ein Comeback geben wollten…
Das war einfach nur Shit. Das haben Leute geschrieben, die Tomba nie vorher getroffen haben. Als ich noch Rennen gefahren bin, haben mich zwanzig Journalisten überallhin verfolgt. Das war super, die haben gesehen, was ich mache. Die haben gespürt, wenn es am Start minus 30 Grad kalt war. Die haben die Probleme gesehen, haben gemerkt, dass wir im Mai trainiert haben, um im November Rennen zu fahren. Aber weshalb haben Leute des Gefühl, dass sie einfach nur Shit über Tomba schreiben können?

Wenn Sie auf Ihre Karriere, Ihr Leben zurückschauen, würden Sie etwas ändern?
Ja, vielleicht nicht zu viel Zeit für gewisse Medien investieren. Wenn Journalisten nach einem Wettkampf zu Tennis- oder Golfspielern oder Formel-1-Fahrern gehen, müssen sie zuerst warten – bis die Sportler mit dem Trainer oder Coach gesprochen oder sogar geduscht haben. Wenn die Skirennfahrer ins Ziel kommen, macht es dagegen gleich bumm – und man hat die Mikrofone vor der Nase. Man kann kaum durchatmen. Aber ich liebe mein Leben und will jetzt einfach nur noch Alberto sein, der wirkliche Alberto.

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