Im April 2018 war Sperisen von der Genfer Justiz im zweiten Anlauf zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, wegen Gehilfenschaft zu Mord in sieben Fällen. Es ging um eine Operation vom September 2006 in Guatemala, mit der die Kontrolle über ein Gefängnis zurückerlangt werden sollte. Dabei starben sieben Häftlinge.
Dass Sperisen nun als Komplize einer in Österreich angeklagten Person verurteilt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und laufe der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg diametral zuwider, teilten die Anwälte von Sperisen am Donnerstag mit.
Das finale Urteil aus Lausanne widerspreche zudem einem ersten Urteil des Bundesgerichts. Darin habe dieses festgestellt, Sperisen sei ein fairer Prozess verweigert worden und seine Verurteilung sei unhaltbar. In einem ersten Umgang war Sperisen 2015 zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden, wogegen er teilweise mit Erfolg rekurriert hatte.
Die Schweizer Justizbehörden haben laut Mitteilung der Anwälte elementarste Anforderungen an eine faire Prozessführung mit Füssen getreten, insbesondere das Recht auf unparteiliches Gericht. Es bleibe Sperisen deshalb nichts anderes übrig als der Gang nach Strassburg.
Das Bundesgericht schreibt in seiner Mitteilung zum Urteil, das zweite Verdikt des Genfer Kantonsgerichts vom April 2018 wegen Gehilfenschaft zu sieben Morden sei nicht zu beanstanden. Die obersten Richter sehen keinen Widerspruch zu ihrem eigenen Rückweisungsentscheid zum ersten Urteil der Genfer Justiz von 2015. Das zweite Urteil gegen Sperisen sei vom Kantonsgericht ausreichend begründet worden.
Insbesondere sei das Genfer Kantonsgericht nicht verpflichtet gewesen, zusätzliche Zeugen anzuhören. Diese Einwände von Sperisen habe das Bundesgericht bereits 2017 geprüft. Auch der Anspruch Sperisens auf ein faires Verfahren sei nicht verletzt worden. Ebenso liessen die Lausanner Richter weitere Einwände des Angeklagten zur rechtlichen Qualifikation der Taten als Mord nicht gelten.
Sperisen hatte sich Mitte November mit einem Brief an die Vereinigte Bundesversammlung gewandt und verlangt, dass das Bundesgericht noch vor Ablauf des Jahres über seine Einsprache gegen das Urteil des Genfer Justiz von 2018 entscheidet. Die Zeit, die das Bundesgericht für die Prüfung seiner Dossiers benötige, sei «untragbar lang".
Weil Anfang 2020 die strafrechtliche Abteilung des Gerichts neu zusammengesetzt werde, sei zu befürchten, dass die neuen Richter die Prüfung seines Falles von vorne aufnehmen müssten, so Sperisen in seinem Schreiben. Mit der Veröffentlichung des Entscheids durch das Bundesgericht ist dieser Bitte nun Genüge getan.
Der ehemalige Generaldirektor der Nationalpolizei von Guatemala war 2007 in die Schweiz geflüchtet und lebte fünf Jahre unbehelligt in Genf. Dort wurde er im August 2012 verhaftet und sass dann fünf Jahre in Untersuchungshaft. Im Herbst 2017 wurde er mit elektronischer Fussfessel in den Hausarrest entlassen.
(Urteil 6B_865/2018 vom 14. November)
(SDA)