Adelbodner Pistenchef wegen Tod von Amelie S.* (†14) verurteilt. Ihre Eltern hoffen
«Das soll Skigebieten eine Lehre sein»

Die Eltern von Amélie S. (†14) haben fünf Jahre lang gekämpft, um den Sicherheitschef von Adelboden BE zur Rechenschaft zu ziehen. Das Gericht gibt ihnen recht. Eine bessere Markierung hätte den Tod verhindern können.
Publiziert: 06.05.2020 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 19.02.2021 um 14:33 Uhr
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Amélies (†14) Eltern vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE. Sie sind erleichtert, dass ihre Klage gegen den Adelbodner Sicherheitschef nach fünf Jahren erfolgreich beendet werden konnte.
Foto: Beat Michel
Beat Michel

Dieses Urteil ist nicht nur eine Überraschung, sondern auch ein Novum: Der Sicherheitsverantwortliche eines Skigebiets wird für einen schweren Unfall einer Skifahrerin vor Gericht der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Der Adelbodner Pistenchef Peter R.* (54) nahm das Urteil des Regionalgerichts Oberland in Thun BE gestern regungslos und ernst entgegen. Die betroffenen Eltern zeigten sich zufrieden und sagten zu BLICK: «Das Urteil soll Skigebieten eine Lehre sein.»

Ihre Tochter starb während eines Skikurses der Klasse Red Star. Die Gruppe folgte dem Skilehrer auf der roten Piste 42 «Luegli-Geils» in einer Kolonne. Amélie S.* (†14) war die Zweitletzte. Am rechten Pistenrand fuhr sie über einen kleinen Hügel. Direkt dahinter krachte sie kopfvoran in einen fast drei Meter tiefen Graben eines Baches – und überlebte die schweren Verletzungen des Sturzes nicht.

Ein Graben wurde zur tödlichen Gefahr

Die Eltern mussten sich das Urteil gegen Verantwortliche des Skigebiets hart erkämpfen. Via Bundesgericht kam es erst fünf Jahre nach dem tragischen Tod der Tochter zum eigentlichen Prozess gegen den Pistenchef.

Während fast zwei Stunden begründete die Richterin gestern, warum Amélies Tod nicht einfach ein Unfall war, sondern auch Menschen eine Schuld an der Tragödie haben. «Aus der Sicht der Skifahrerin Amélie war der Graben hinter dem kleinen Hügel nicht sichtbar. Es gab zwar eine Markierung, aber die war aus ihrer Fahrtrichtung auch nicht sichtbar. Der Graben wurde zur Falle», so die Richterin.

Weder zu schnell noch ein gewagtes Manöver

Amélie sei weder zu schnell gefahren, noch habe sie ein gewagtes Manöver gemacht. «Wäre die Markierung der Gefahr gut sichtbar gewesen, könnte Amélie noch leben», urteilte die Richterin sogar. So habe das Mädchen keine Chance gehabt, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen. Das Skigebiet habe hier klar die Sicherungspflicht verletzt.

Nach dem Schuldspruch zeigten sich die Eltern erleichtert und zufrieden. «Jetzt weicht ein grosser Druck von uns. Jetzt können wir unser Leben neu starten», sagt Amélies Mutter. «Das Urteil ist wegweisend für Skigebiet-Verantwortliche. Wir hoffen jetzt auf ein Umdenken», sagt der Vater. «Es gab auch noch andere gravierende Fälle, wo Menschen auf Schweizer Pisten gestorben sind», sagt er. «Die Angehörigen hatten nur nicht unsere Mittel, um eine Klage durchzubringen.»

Bedingte Busse mit Bewährung

Die Strafe für den Adelbodner Sicherheitschef wurde bedingt auf zwei Jahre Bewährung ausgesprochen. Vernachlässigt er noch einmal die Sicherheit, wird eine Busse von 11'700 Franken fällig. Sowieso berappen muss er Verfahrenskosten von über 10'000 Franken, Schadenersatz von rund 10'000 Franken und Genugtuung von 66'000 Franken. Das Urteil bringt Amélie nicht zurück. Doch die Mutter sagt: «Jetzt sind wir nicht mehr in der Vergangenheit gefangen.»

* Namen geändert

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