Der Zahnarzt (62) und seine Freundin sind mit den Nerven völlig am Ende. Tränen laufen über das Gesicht der Frau. Der Mediziner ist untröstlich: «Für mich ist die Karriere vorbei», sagt er. «Ich habe das Patent abgegeben. Damit ist das für mich abgeschlossen.» Vor der Kamera will das Paar nicht reden. Anonym darf Blick sie zitieren.
Gravierende Hygiene-Probleme
Der Aargauer Kantonszahnarzt hat bei der Kontrolle der Praxis gravierende Hygienemängel festgestellt. Das Gesundheitsdepartement liess sie Anfang April schliessen. Jetzt sollen sich Patienten auf HIV und Hepatitis testen lassen.
Der Zahnarzt sagt zu Blick: «Ich entschuldige mich bei allen Patienten für die Umtriebe. Mir geht es seit einem Jahr nicht gut. Ich schlittere die ganze Zeit an einem Burnout entlang», sagt er.
«Die Instrumente kamen zuerst in ein Desinfektionsbad»
Er hatte bis vor einem Jahr zwei Angestellte. Die eine musste aufhören, weil sie Probleme mit dem Covid-Zertifikat hatte. Die andere bekam ein Kind. «Danach hat er fast alles selber gemacht. Eine Aushilfe, die nicht die nötigen Qualifikationen hatte, machte sein Büro, half aber auch bei den Sterilisationen», sagt eine Insiderin. In der Kartei seien etwa 6000 Patienten. Wie viele davon zum Test antreten müssen, ist noch nicht bekannt.
Blick darf auch in das Zimmer schauen, wo die Probleme entstanden sind. Die Informantin sagt gegenüber Blick: «Die Instrumente kamen zuerst in ein Desinfektionsbad, dann in den Ultraschall.» Das Desinfektionsgerät «Lisa», ein professioneller Sterilisator im gleichen Raum, wurde zwar noch verwendet, war aber offenbar defekt. Die Tests, mit denen man die Sterilität überprüfen könnte, seien nicht mehr eingesetzt worden. «Es fehlten schlicht die Leute und das Wissen einer professionellen Dentalassistentin», so die Informantin.
Zahnarzt findet Massnahmen übertrieben
Der Zahnarzt findet die Massnahmen gegen ihn aber trotzdem übertrieben. Er sagt aufgebracht: «Der Kanton hat die Mängel aufgebauscht. Es war nicht so gravierend, wie er es darstellt.» Er habe 34 Jahre lang erfolgreich Patienten behandelt. Er sagt traurig: «Sie kamen alle gern zu mir. Meine Spezialgebiete waren Angstpatienten und Ästhetik. Ich machte auch Implantate.»
Wie es weitergeht, weiss er noch nicht. Dann schickt er die Journalisten weg.
Eine betroffene Patientin ist Margrit Schmid (85) aus Birr AG. Sie kann es noch nicht fassen, dass das ihrem Zahnarzt des Vertrauens passieren konnte. Sie sagt: «Ich dachte nur: Oh mein Gott. Gehts noch? Ich bekam am Montag den Brief. Ich musste ihn ausfüllen und zurückschicken. Und ich muss mich auf Hepatitis und HIV testen lassen.»
Kundin seit 30 Jahren
Schmid ist seit 30 Jahren bei dem Zahnarzt. Sie war immer zufrieden: «Er war teuer, aber hat alles tipptopp gemacht. Vor ein paar Wochen habe ich gerade für 12'000 Franken eine Behandlung gehabt.»
Die Rentnerin hatte Mühe, bei ihrem Hausarzt einen Test-Termin zu bekommen. «Das Telefon war über Stunden besetzt. So viele Leute sind betroffen», erzählt sie. Grundsätzlich mache sie sich keine Sorgen. Sie hofft, dass sich trotz Fehler niemand angesteckt hatte.