Loverboy – ein harmloser Begriff für ein brutales Geschäft. Loverboys sind Zuhälter und Menschenhändler. Sie sind unter 30 Jahre alt und somit kaum älter als ihre Opfer. Sie sind manipulativ, besitzergreifend und wollen schnelles Geld verdienen. Sie haben es oft auf minderjährige Mädchen abgesehen und treten mit ihnen über Online-Plattformen in Kontakt.
Zuerst gaukeln sie ihnen die grosse Liebe vor, tragen sie auf Händen. Dann setzen sie ihre Opfer unter Druck – und zwingen sie zur Prostitution. Diese Dienste bieten die Täter mehrheitlich im Internet an. Die Treffen mit Freiern, oder «Freunden» wie die Loverboys sie nennen, finden unter anderem in Privatwohnungen, Autos, Hotels oder auf Campingplätzen statt.
Verändertes Verhalten bei den Opfern
In Holland und Deutschland ist das Loverboy-Phänomen bereits seit Jahren bekannt. Mittlerweile gibt es auch in der Schweiz immer mehr Fälle. «In den letzten vier Jahren sind bei uns über 30 Meldungen eingegangen», sagt Irene Hirzel, Geschäftsführerin und Gründerin der nationalen Meldestelle ACT212. Meldungen kamen bisher aus den Kantonen Basel, Solothurn, Bern, Zürich, St. Gallen, Graubünden und Glarus.
Elena* (14) ist eines dieser Opfer. Ihr Verhalten ändert sich plötzlich. Ihre Schulleistung wird schlechter, sie ist viel unterwegs. Der Grund: Ihr neuer Freund, den sie über das Internet kennengelernt hat. Sie weiss nicht, dass er ein Loverboy ist und ihr die Liebe nur vorspielt. Sein Ziel: Mit Elena Geld verdienen. Er isoliert sie von ihrem Umfeld, macht sie emotional abhängig von sich. Dann drängt er sie in die Prostitution. Sie wird sexuell ausgebeutet, das verdiente Geld behält er.
Die 14-Jährige wendet sich an ihre Mutter, sagt, sie wolle die Antibabypille. Die Mutter wird stutzig und fragt nach. Elena antwortet, sie sei vergewaltigt worden. Darüber sprechen oder etwas dagegen unternehmen wolle sie aber nicht. Als die Mutter später erfährt, dass dies kein einmaliger Vorfall war und immer noch passiert, alarmiert sie die Polizei. Zusätzlich schaltet sich eine Opferberatungsstelle ein. Inzwischen sind alle entsprechenden Behörden informiert. Aber Elena ist noch immer abhängig von ihrem Täter. Sie schweigt, verliert kein Wort über ihn. Ihr Loverboy ist nach wie vor unbekannt.
«Die wenigsten Opfer sehen sich als solche»
«Diese Abhängigkeit, in der sich die Opfer befinden, kann man sich nur schwer vorstellen. Es ist fast unmöglich, alleine aus dieser Situation rauszukommen», so Irene Hirzel. Der Täter sammle gezielt Informationen und setze sein Opfer damit unter Druck. Oft spreche er auch Drohungen gegen Familienmitglieder oder Freunde aus.
Dazu kommt: «Die wenigsten Opfer sehen sich als solche, selbst wenn sie vom Täter ausgebeutet werden», so Hirzel. Auch die extremen Schamgefühle hindern viele daran, mit jemandem darüber zu sprechen. «Die Opfer melden sich selten selber bei uns. Meistens rufen die Eltern, Bekannte oder Freunde an. Es kommt auch vor, dass uns Lehrpersonen oder Sozialarbeiter kontaktieren.»
Junge Männer können auch Loverboy-Opfer werden
Die meisten Loverboys haben es auf Mädchen abgesehen. Doch es gibt einzelne Fälle, in denen junge Männer in die männliche Prostitution gedrängt werden. Ein Betroffener ist Simon* (20). Einer Bekannten erzählt er, dass er frustriert sei – wegen seinem «Freund». Er habe herausgefunden, dass dieser noch andere «Beziehungen» habe. Simon möchte von ihm loskommen. Doch sein Freund lasse dies nicht zu, bombardiere ihn mit SMS-Nachrichten.
Der Bekannten ist bereits aufgefallen, dass der neue Freund von Simon sehr manipulativ und kontrollierend ist. Simon hat sich wegen ihm sogar verschuldet und den Job verloren. Sie schlägt ihm vor, sich bei der nationalen Meldestelle darüber zu informieren, was er unternehmen könne. Doch der 20-Jährige meldet sich nicht. Ein paar Wochen später kehrt er zu seinem «Freund» zurück – weil er ihn trotz allem immer noch liebt.
«Solange eine Abhängigkeit besteht, wird das Opfer immer wieder zum Täter zurückkehren», sagt Hirzel. Die nationale Meldestelle ACT212 vermittle Opfern und ihren Angehörigen Rechtshilfe, spezialisierte Fachstellen und Therapien. «In jedem Fall empfehlen wir dem Opfer, das Handy auszutauschen. Im Extremfall, wenn Opfer an Leib und Leben bedroht werden, vermitteln wir ihnen eine Schutzeinrichtung und empfehlen, die Polizei einzuschalten.» Sich freiwillig bei der Polizei zu melden, sei aber immer die beste Variante. Sollte das Opfer schliesslich bereit dazu sein, eine Anzeige zu machen, werde es von Fachstellen der Opferberatung begleitet.
Noch kein Loverboy in der Schweiz verurteilt
Michaela* ist dazu bereit. Der nationalen Meldestelle erzählt die mittlerweile erwachsene Frau in einem Telefongespräch, dass ihr «Freund» sie über Jahre hinweg manipuliert und kontrolliert habe. Er habe mit ihr pornografisches Material erstellt und biete das nun im Internet an.
Sie will ihn verlassen. Doch das ist schwierig: Der Loverboy kontaktiert und belästigt Michaela immer wieder. Er taucht plötzlich auf und versucht, sie zurückzuholen. Sie gibt zu: «Ich habe Monate gebraucht, bis ich den Mut fand, mich zu öffnen und diesen Anruf zu tätigen.» Mittlerweile hat Michaela einen Opferanwalt an ihrer Seite. Gegen den Mann wurden Massnahmen getroffen, er lässt sie seither in Ruhe.
Bisher ist in der Schweiz noch kein Loverboy verurteilt worden. Doch Irene Hirzel ist sich sicher: «Zukünftig wird es bestimmt zu Verurteilungen kommen.»
*Namen geändert
ACT212 ist das Beratungs- und Schulungszentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung. Der Verein betreibt die nationale Meldestelle und ist eine niederschwellige Anlaufstelle für Hinweise aus der Bevölkerung.
Da sich Opfer von Loverboys in den meisten Fällen nicht selber melden, ist es wichtig, dass sie von ihrem Umfeld Unterstützung erhalten.
Einige Warnzeichen können sein:
- Ununterbrochenes Chatten
- Häufiges Ausgehen
- Rückzug von Familie und Freunden
- Plötzlich viel Geld oder viele neue teure Errungenschaften (wie Kleider oder Schmuck)
- Vermehrtes Fehlen in der Schule mit unstimmigen Begründungen, Noten verschlechtern sich
- Innerliche und äusserliche Veränderungen (vielfach einen anderen Kleidungsstil, der provokativ und sexy ist)
Weil solche Veränderungen aber auch auf viele «normale Teenager» zutreffen können, müssen diese Indikatoren zwingend im Zusammenhang mit einem neuen Freund stehen.
Stellen Eltern, Freunde oder Bekannte solche Anzeichen fest, ist es wichtig, dass sie dem möglichen Opfer ihre Unterstützung anbieten. Hilfe erhalten Sie entweder online unter www.act212.ch oder unter der anonymen Hotline-Nummer 0840 212 212. (frk)
ACT212 ist das Beratungs- und Schulungszentrum gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung. Der Verein betreibt die nationale Meldestelle und ist eine niederschwellige Anlaufstelle für Hinweise aus der Bevölkerung.
Da sich Opfer von Loverboys in den meisten Fällen nicht selber melden, ist es wichtig, dass sie von ihrem Umfeld Unterstützung erhalten.
Einige Warnzeichen können sein:
- Ununterbrochenes Chatten
- Häufiges Ausgehen
- Rückzug von Familie und Freunden
- Plötzlich viel Geld oder viele neue teure Errungenschaften (wie Kleider oder Schmuck)
- Vermehrtes Fehlen in der Schule mit unstimmigen Begründungen, Noten verschlechtern sich
- Innerliche und äusserliche Veränderungen (vielfach einen anderen Kleidungsstil, der provokativ und sexy ist)
Weil solche Veränderungen aber auch auf viele «normale Teenager» zutreffen können, müssen diese Indikatoren zwingend im Zusammenhang mit einem neuen Freund stehen.
Stellen Eltern, Freunde oder Bekannte solche Anzeichen fest, ist es wichtig, dass sie dem möglichen Opfer ihre Unterstützung anbieten. Hilfe erhalten Sie entweder online unter www.act212.ch oder unter der anonymen Hotline-Nummer 0840 212 212. (frk)