Ein heftiges Gewitter entlud sich am 27. Juli 1999 gegen 16.30 Uhr im trichterförmigen Einzugsgebiet des Saxetbachs. Innert kurzer Zeit schwoll der Bach mächtig an.
Zu dieser Zeit befanden sich vier Gruppen eines Canyoning-Anbieters mit insgesamt 45 Touristen im Wildbach. Die beiden mittleren Gruppen und eine Person aus der ersten Gruppe wurden von der Flutwelle aus Wasser, Steinen und Geäst erfasst.
In Bönigen am Brienzersee bot sich Rettungskräften und Medienschaffenden am frühen Abend ein Bild des Schreckens. Die Lütschine spülte die Leichen aus der Saxetbachschlucht in den See. 16 Männer und 5 Frauen aus Australien, Neuseeland, England, Südafrika und der Schweiz waren in der Flutwelle ertrunken.
Die Guides hatten vor dem Abmarsch der Gruppen das Wetter gecheckt und die Tour als durchführbar beurteilt. Vom Einstiegsort in die Schlucht des Saxetbachs aus konnten sie jedoch nicht erkennen, dass sich im Einzugsgebiet ein Gewitter zusammengebraut hatte.
Als die Flutwelle heran schoss, versuchten sie, so viele Touristen wie möglich aus dem Bach zu retten. Zwei Guides bezahlten ihren tapferen Einsatz mit dem Leben.
Überlebende schrieb ein Buch über Erlebnis
Blick traf 2019 Tiffany Johnson (41), eine der Überlebenden. Sie reiste diese Woche mit ihrer Familie aus Australien nach Zürich. Erstmals seit der Katastrophe war sie wieder am Unglücksort. Sie habe dank der Reise in die Schweiz Gewissheit, dass ihre Freunde an einem schönen Ort gestorben seien, sagt sie. Die Katastrophe von damals habe sie für immer verändert, die Verletzungen von damals seien auch heute noch nicht verheilt, «doch mein Besuch hier erfüllt mich mit Frieden», sagt Johnson, die ihre Erlebnisse vom Sommer 1999 in ihrem Buch «Brave Enough Now» verarbeitet hat.
Johnson zog bei dem Unglück schwere Verletzungen davon, die zum Teil nicht verheilten: Wegen des Traumas leidet sie an Diabetes.
Freispruch für Guides
Nach dem Unglück wurde die Schuldfrage heftig diskutiert. Zweieinhalb Jahre nach der Katastrophe kam es zur Gerichtsverhandlung gegen die Verantwortlichen. Die Guides wurden freigesprochen.
Die Chefs der Anbieterfirma wurden wegen fahrlässiger Tötung zu bedingten Gefängnisstrafen verurteilt. Sie hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt, befand das Gericht.
Das Geschäft mit Risikosportangeboten hatte damals im Berner Oberland gerade so richtig Fahrt aufgenommen. In der Branche herrschte Goldgräberstimmung. Regeln gab es kaum.
Das sollte sich in den Jahren nach dem Unglück im Saxetbach ändern - die Ausbildung der Guides wurde auf eine solide Basis gestellt, und seit 2014 unterstehen kommerzielle Anbieter dem Risikosportgesetz. Dieses wurde 2019 noch verschärft.
Seither gilt jeder Anbieter ab dem ersten Franken Umsatz als gewerbsmässig und muss eine entsprechende kantonale Bewilligung einholen. Zuvor galt eine Grenze von 2300 Franken pro Jahr.
Stein erinnert an Opfer
Outdoor-Aktivitäten gehören im Berner Oberland nach wie vor zu einem wichtigen Zweig des Tourismus. Namentlich Interlaken und seine Umgebung sind ein Hotspot für abenteuerhungrige Menschen aus aller Welt. Die Region hat sich dank ihrer Topografie und der guten Erreichbarkeit einen Namen bei Extremsportlern gemacht.
Abseits vom Trubel steht an einer ruhigen Stelle am Saxetbach ein grosser Stein. Darin eingraviert sind die Namen jener 21 jungen Menschen, die 1999 den Abenteuerspass mit dem Leben bezahlten.