Steine, Petarden und Flaschen fliegen. Die Eventplattform beim St.-Jakob-Stadion in Basel ist in dicken weissen Rauch gehüllt. Die Szenerie gleicht einer Schlacht. FCB-Chaoten prügeln auf Polizisten ein, pöbeln sie an und reissen sie zu Boden. Die wüsten Szenen nach dem Derby-Klassiker zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich vom 10. April 2016 haben sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Die traurige Bilanz damals: elf Verletzte – darunter neun Polizisten, ein Kleinkind und ein unbeteiligter, damals 27-jähriger FCB-Fan, der von einem Gummischrotgeschoss getroffen auf einem Auge erblindete. Zudem entstand ein Sachschaden von über 100'000 Franken.
Polizisten attackiert
Am Montag, fast vier Jahre nach den Ausschreitungen, findet nun der Prozessauftakt gegen die 16 FCB-Chaoten statt. Fast die Hälfte sass bis zu sechs Wochen in U-Haft. Angeklagt sind 14 Schweizer, ein Deutscher und ein Spanier: vom Landschaftsgärtner über den Koch bis hin zum medizinischen Berater.
Zum Prozessauftakt am Morgen wurden alle 16 Ultras zu ihrer Person befragt. Unter den Angeklagten sind auch Familienväter. Einige geben sich vor Gericht geläutert, seien Fussballspielen ferngeblieben und hätten den Kontakt zur Fan-Szene verloren. Nicht zuletzt das Resultat mehrjähriger Stadionverbote die gegen die FCB-Chaoten damals verhängt wurden. Andere wiederum werden wortkarg, wenn es um ihre Verbindung zur Fan-Szene geht, wollen sich dazu nicht äussern. «Dazu sage ich nichts», heisst es immer wieder.
Chaoten «fühlten sich provoziert»
Mit den Taten von damals konfrontiert, bestreiten sie, Teil des wütenden Mobs gewesen zu sein, schweigen oder schweifen ab und monieren dabei die «unnötige Polizeipräsenz» an jenem Tag. «Ich habe nichts Falsches gemacht. Ich stand mittendrin und aus allen Seiten kam Gummischrot geflogen», sagte einer. Er sei nicht Teil des gewalttätigen Mobs gewesen.
Nur Einzelne räumen tatsächlich ihre Tat ein. Einer sagt, er sei vermummt gewesen, weil Tränengas eingesetzt worden sei. Und er habe sich provoziert gefühlt von der Polizei. Er habe aber diese weder bedroht noch noch angegriffen. Ein 37-Jähriger sagt: «Kaum kamen wir aus dem Stadion, flog Gummischrot.»
Alle wegen Landfriedensbruch vor Gericht
Die Männer, die mittlerweile zwischen 23 und 37 Jahre alt sind, müssen sich allesamt wegen Landfriedensbruchs sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte vor dem Strafgericht Basel-Stadt verantworten. Einzelne FCB-Chaoten stehen zudem wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung sowie Widerhandlungen gegen das Waffengesetz, Betäubungsmittelgesetz, Vermummungsverbot und Stadionverbot vor Gericht.
Die Hintergründe: Auf dem Weg zum Meistertitel traf am 10. April 2016 der FCB auf den FCZ. 97 Minuten Adrenalin, dann der Abpfiff. Endstand: 2:2! Die Stimmung ist aufgeheizt. Nachdem die FCB-Fans das Stadion verlassen hatten, eskaliert die Situation auf der Eventplattform bei der Muttenzerkurve. Rund 150 FCB-Anhänger rotten sich zu einem Mob zusammen. Es kommt zur «dritten Halbzeit».
Militante FCB-Gruppierung mischte bei Randalen mit
Die hässliche Seite des Schweizer Fussballs zeigt ihre Fratze. Vermummte FCB-Ultras markieren «ihr Territorium», machen mit Stöcken und Fahnenstangen bewaffnet Front gegen die Polizei. Einige der Basler-Chaoten haben eine einschlägige Vergangenheit, sind vorbestraft und gehören etwa der militanten FCB-Gruppierung «187» an.
Die Chaoten karren Entsorgungscontainer her, machen sie zu ihrem «Munitionslager». Aus dem Schutz der Menge bombardieren sie die Sicherheitskräfte mit Bierdosen, Glasflaschen und allerlei anderen Wurfgeschossen.
FCB-Ultra steckte Polizeiauto in Brand
Um Herr der Lage zu werden, greift die Polizei zu Tränengas, Gummischrot und Schlagstöcken. Die Scharmützel zwischen FCB-Ultras und Polizei verlagern sich. Auf dem Parkplatz vor der St. Jakobshalle auf Baselbieter Kantonsgebiet geht die Randale weiter. Ein damals 53-jähriger Baselbieter Polizist wird spitalreif geprügelt, ein Patrouillenfahrzeug in Brand gesteckt.
Insgesamt zwölf FCB-Chaoten wurden nach den Randalen festgenommen, sieben weitere Krawallmacher per Internet-Fahndung aufgespürt. Drei Verfahren – unter anderem gegen zwei Jugendliche – übergab die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zuständigkeitshalber an andere Kantone.
Der Monsterprozess gegen die FCB-Ultras vor dem Strafgericht Basel-Stadt ist auf neun Tage anberaumt. Die Urteile werden gegen Mitte Februar erwartet.
Elf Verletzte und über 100'000 Franken Sachschaden: Nach den Krawallen vom 10. April 2016 hat der FC Basel Massnahmen getroffen, um derartige Gewalteskalationen in seiner Heimstätte zu verhindern. «Die Videoüberwachung im Bereich Muttenzerkurve/Eventplattform wurde erneuert und zusätzliche Kameras wurden installiert», sagt FCB-Sicherheitschef Beat Meier zu BLICK.
Zudem sei der Dialog mit den Fans «weiter intensiviert» worden, da dieser laut Meier die wichtigste Massnahme in der Gewaltprävention ist. «Die Zahl der verhängten Rayon- und Stadionverbote ist rückläufig und war noch nie so tief wie heute», sagt Meier. Um fehlbare Personen zur Rechenschaft zu ziehen, befinde sich der FCB immer in engem Austausch mit der Polizei.
Neu wurde ausserdem auf der Eventplattform die «Plattform-Bar», die von Fans für Fans betrieben wird, errichtet. Sie soll laut Meier eine friedliche Atmosphäre schaffen und den Austausch zwischen FCB-Fans aus allen Bereichen des Stadions fördern. Gestern Sonntag wurde die Plattform-Bar beim Heimspiel des FCB gegen den FC St. Gallen eröffnet. Dominique Rais
Elf Verletzte und über 100'000 Franken Sachschaden: Nach den Krawallen vom 10. April 2016 hat der FC Basel Massnahmen getroffen, um derartige Gewalteskalationen in seiner Heimstätte zu verhindern. «Die Videoüberwachung im Bereich Muttenzerkurve/Eventplattform wurde erneuert und zusätzliche Kameras wurden installiert», sagt FCB-Sicherheitschef Beat Meier zu BLICK.
Zudem sei der Dialog mit den Fans «weiter intensiviert» worden, da dieser laut Meier die wichtigste Massnahme in der Gewaltprävention ist. «Die Zahl der verhängten Rayon- und Stadionverbote ist rückläufig und war noch nie so tief wie heute», sagt Meier. Um fehlbare Personen zur Rechenschaft zu ziehen, befinde sich der FCB immer in engem Austausch mit der Polizei.
Neu wurde ausserdem auf der Eventplattform die «Plattform-Bar», die von Fans für Fans betrieben wird, errichtet. Sie soll laut Meier eine friedliche Atmosphäre schaffen und den Austausch zwischen FCB-Fans aus allen Bereichen des Stadions fördern. Gestern Sonntag wurde die Plattform-Bar beim Heimspiel des FCB gegen den FC St. Gallen eröffnet. Dominique Rais
In der «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1579 Personen registriert. Dabei kommen 1140 Personen aus dem Fussballumfeld, 497 aus dem Bereich Eishockey – teilweise mit Überschneidungen. Auffällig: Hooligans sind meist männlich. Lediglich 18 Frauen sind im Hoogan erfasst.
Der grösste Teil der gewaltbereiten Sportfans, nämlich rund zwei Drittel – konkret 1138 Hooligans, ist zwischen 19 und 29 Jahre alt. Die in der Hooligan-Datenbank erfassten Personen bleiben bis drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme im Hoogan eingetragen.
Mit Stand Juni 2019 laufen gegen insgesamt 668 Hooligans aktive Massnahmen, wobei in 573 Fällen ein Stadionverbot ausgesprochen wurde. Die häufigsten Delikte, die durch Hooligans verübt werden: Landfriedensbruch (352 Fälle), Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz (289 Fälle), Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot (225 Fälle) sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte (135 Fälle).
Eine Studie der Universität Basel mit dem Titel «Zahn- und Kieferverletzungen verursacht durch Hooligans», die 2015 veröffentlicht wurde, gibt einen tieferen Einblick in die Szene. Insgesamt 95 Hooligans haben damals an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen.
Aus dieser geht hervor, dass zwei Drittel (64 Personen) der Befragten Kampfsport oder Krafttraining betreiben. 61 Prozent tragen bei den Ausschreitungen nie einen Mundschutz. Von denen, die aber einen Mundschutz tragen, haben 51 Prozent eine individuelle Anfertigung. 86 Prozent aller Befragten haben sich bei Hooligan-Gewalteskalationen schon Zahnverletzungen zugezogen. Brisant: 13 der 95 Hooligans, also jeder siebte, hat einen Hochschulabschluss oder studiert. Dominique Rais
In der «Hoogan», der Hooligan-Datenbank des Bundes, sind derzeit 1579 Personen registriert. Dabei kommen 1140 Personen aus dem Fussballumfeld, 497 aus dem Bereich Eishockey – teilweise mit Überschneidungen. Auffällig: Hooligans sind meist männlich. Lediglich 18 Frauen sind im Hoogan erfasst.
Der grösste Teil der gewaltbereiten Sportfans, nämlich rund zwei Drittel – konkret 1138 Hooligans, ist zwischen 19 und 29 Jahre alt. Die in der Hooligan-Datenbank erfassten Personen bleiben bis drei Jahre nach Ablauf der letzten Massnahme im Hoogan eingetragen.
Mit Stand Juni 2019 laufen gegen insgesamt 668 Hooligans aktive Massnahmen, wobei in 573 Fällen ein Stadionverbot ausgesprochen wurde. Die häufigsten Delikte, die durch Hooligans verübt werden: Landfriedensbruch (352 Fälle), Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz (289 Fälle), Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot (225 Fälle) sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte (135 Fälle).
Eine Studie der Universität Basel mit dem Titel «Zahn- und Kieferverletzungen verursacht durch Hooligans», die 2015 veröffentlicht wurde, gibt einen tieferen Einblick in die Szene. Insgesamt 95 Hooligans haben damals an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen.
Aus dieser geht hervor, dass zwei Drittel (64 Personen) der Befragten Kampfsport oder Krafttraining betreiben. 61 Prozent tragen bei den Ausschreitungen nie einen Mundschutz. Von denen, die aber einen Mundschutz tragen, haben 51 Prozent eine individuelle Anfertigung. 86 Prozent aller Befragten haben sich bei Hooligan-Gewalteskalationen schon Zahnverletzungen zugezogen. Brisant: 13 der 95 Hooligans, also jeder siebte, hat einen Hochschulabschluss oder studiert. Dominique Rais
Die Schande von Basel
Am 13. Mai 2006 wird im St.-Jakob-Stadion in Basel eines der wohl dunkelsten Kapitel der Schweizer Fussball-Geschichte geschrieben: die Schande von Basel. Im Joggeli spielt der FC Basel gegen den FC Zürich. 90 Minuten sind gespielt. Es steht 1:1. Der Meisterpokal ist für den FCB zum Greifen nahe. Doch dann, die 93. Minute: Einwurf für den FCZ, Flanke in die Mitte, Tor! Der FCZ gewinnt. Eine bittere Pille für den FCB. Dutzende Basel-Fans stürmen aus der Muttenzerkurve auf den Rasen. Petarden werden gezündet, FCZ-Spieler attackiert. Die Polizei greift zu Tränengas und Gummischrot. Die Situation eskaliert. Die traurige Bilanz: 115 Verletzte und über 400'000 Franken Sachschaden.
Die Schlacht von Aarau
15. Mai 2014: In Aarau kommt es nach dem Abpfiff des Super-League-Spiels zwischen dem FC Basel und dem FC Aarau zur «Schlacht von Aarau». Trotz des 3:1-Siegs und somit dem fünften Meistertitel in Folge stürmen teilweise vermummte Basler Chaoten den Rasen. Das Stadion Brügglifeld wird zum Schlachtfeld. Rauchpetarden werden gezündet, Aarau-Fans angegriffen. Die Situation zwischen den Chaoten der beiden gegnerischen Mannschaften spitzt sich derart zu, dass die Polizei, die sonst nur ausserhalb der Stadien für Recht und Ordnung sorgt, eingreifen muss. Gummischrot wird abgefeuert. Bei den Krawallen wurden mehrere Personen verletzt, zudem entstand beträchtlicher Sachschaden.
Das Katakomben-Chaos von Zürich
25. Mai 2016: Ein schwarzer Tag für den FC Zürich. Trotz des 3:1-Siegs gegen Vaduz (Li) steigt der Stadtzürcher Fussballklub erstmals seit 26 Jahren ab. Enttäuschung und Wut machen sich breit. Rund 60 vermummte FCZ-Ultras stürmen die Katakomben im Letzigrund. Ausnahmezustand! Die FCZ-Spieler verbarrikadieren sich in der Kabine. Der damalige FCZ-Trainer Uli Forte (45) ergreift die Flucht. Die FCZ-Fans lassen ihrem Frust freien Lauf, randalierten daraufhin in der Zürcher Innenstadt.
Krawall beim Cupfinal von Bern
27. Mai 2018: Der FC Zürich gewinnt im Stade de Suisse in Bern 2:1 gegen die Young Boys. Doch der Cup-Sieg der Zürcher wird von wüsten Szenen abseits des Spielfelds überschattet. Ultras aus beiden Lagern randalieren in der Stadt, zünden Pyros und Petarden. Es gibt mehrere Verletzte. Zudem überfallen FCZ-Chaoten eine Coop-Tankstelle. Sachschaden und Deliktsumme belaufen sich auf mehrere Tausend Franken.
Die Schande von Luzern
20. Mai 2019: Spielabbruch in der Swissporarena! Das Fussballmatch zwischen dem Grasshopper Club Zürich und dem FC Luzern muss in der 67. Minute abgebrochen werden. Es steht 4:0 – der Abstieg des GC ist unausweichlich. «Die Schande von Luzern» nimmt ihren Lauf. Bei den GC-Ultras brennen die Sicherungen durch – einmal mehr. Sie stürmen das Feld, angeführt vom bekannten GC-Neonazi-Ultra und Rädelsführer Stefan N.*. Dominique Rais
* Name bekannt
Die Schande von Basel
Am 13. Mai 2006 wird im St.-Jakob-Stadion in Basel eines der wohl dunkelsten Kapitel der Schweizer Fussball-Geschichte geschrieben: die Schande von Basel. Im Joggeli spielt der FC Basel gegen den FC Zürich. 90 Minuten sind gespielt. Es steht 1:1. Der Meisterpokal ist für den FCB zum Greifen nahe. Doch dann, die 93. Minute: Einwurf für den FCZ, Flanke in die Mitte, Tor! Der FCZ gewinnt. Eine bittere Pille für den FCB. Dutzende Basel-Fans stürmen aus der Muttenzerkurve auf den Rasen. Petarden werden gezündet, FCZ-Spieler attackiert. Die Polizei greift zu Tränengas und Gummischrot. Die Situation eskaliert. Die traurige Bilanz: 115 Verletzte und über 400'000 Franken Sachschaden.
Die Schlacht von Aarau
15. Mai 2014: In Aarau kommt es nach dem Abpfiff des Super-League-Spiels zwischen dem FC Basel und dem FC Aarau zur «Schlacht von Aarau». Trotz des 3:1-Siegs und somit dem fünften Meistertitel in Folge stürmen teilweise vermummte Basler Chaoten den Rasen. Das Stadion Brügglifeld wird zum Schlachtfeld. Rauchpetarden werden gezündet, Aarau-Fans angegriffen. Die Situation zwischen den Chaoten der beiden gegnerischen Mannschaften spitzt sich derart zu, dass die Polizei, die sonst nur ausserhalb der Stadien für Recht und Ordnung sorgt, eingreifen muss. Gummischrot wird abgefeuert. Bei den Krawallen wurden mehrere Personen verletzt, zudem entstand beträchtlicher Sachschaden.
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* Name bekannt