Von «falsch gelaufenen» Sexspielen
Tötungsdelikte sind keine unglücklichen Unfälle

Eine britische Umfrage zeigt: Übergriffe auf Frauen bei einvernehmlichem Sex nehmen zu. Die Zahl der Frauen steigt, die bei Sexspielen getötet werden. Was läuft da schief?
Publiziert: 21.03.2021 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2021 um 13:17 Uhr
Aline Wüst, Reporterin SonntagsBlick Magazin
Foto: Shane Wilkinson
Aline Wüst

Es war einvernehmlich, sagt der St. Galler Arzt. Die 32-jährige Frau kann dazu nichts sagen. Sie ist tot. Starb infolge der harten Sexpraktiken. An Armen, Beinen und Oberkörper der Frau blaue Flecken, Hämatome, Kratzer, Narben. Der Arzt wurde vergangenen Mittwoch von allen Vorwürfen vollumfänglich freigesprochen.

Vor einem Jahr starb im Tessin eine 22-jährige Frau. Sie wurde erwürgt. Die Gerichtsverhandlung ist ausstehend. Der Freund der Frau sprach bei der Polizei von «falsch gelaufenen Sexspielen».

Jeder Fall ist anders.

Doch eines bleibt gleich: Läuft bei einem Sexspiel etwas «schief», ist fast immer die Frau tot. Harter Sex bedeutet Gewalt für eine Seite, die weibliche.

In Grossbritannien ist das schon seit Jahren ein Thema. Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass ein Drittel der britischen Frauen unter 40 Jahren schon mindestens einmal während einvernehmlichen Sexes ungewollt geschlagen, gewürgt oder angespuckt wurden. Elizabeth Yardley, Professorin für Kriminologie, hat 43 Fälle untersucht, bei denen Frauen in Grossbritannien während sogenannt falsch gelaufener Sexspiele starben. Die Mehrheit der Frauen wurde erwürgt. Yardley sagt, dass die Normalisierung von hartem Sex durch Filme wie «Fifty Shades of Grey» und die Art und Weise, wie in Pornos und Frauenzeitschriften strangulieren als Spiel dargestellt wird, für Täter ein gesellschaftlich anerkanntes Drehbuch für Gewalt gegen Frauen geschaffen haben. Die Mehrheit der Täter in der Untersuchung der Professorin pochte darauf, die Frau hätte den harten Sex initiiert. Das allerdings ist nichts anderes als Victim Blaming – also zu sagen: Sie hat es so gewollt, es ist ihre Schuld.

Neu ist das nicht. Schon immer haben Männer, die ihre Frauen töteten, dem Opfer eine Mitschuld gegeben: «Sie hat mich provoziert».

In Grossbritannien gibt es die Bewegung «We Can’t Consent To This» (zu Deutsch: Wir können dem nicht zustimmen). Aktivistinnen zählen Frauen, die von Männern getötet wurden, die «harten Sex» als Rechtfertigung nutzten. 59 Frauen sind auf dieser Liste. Gezählt wird seit 1972. 20 Tötungsdelikte sind allein in den letzten fünf Jahren dazugekommen. Fiona Mackenzie, Gründerin der Plattform, befürchtet, dass sowohl diese Art der Rechtfertigung von Tötungsdelikten als auch Angriffe bei einvernehmlichem Sex zunehmen. «Wenn die Frauen überleben, sagen sie immer, dass sie nicht zugestimmt haben ... aber wenn sie tot sind, kann der Mann die Geschichte erzählen.»

Ungewolltes Schlagen, Würgen und Anspucken beim Sex ist keine Leidenschaft. Es ist Gewalt. Tötungsdelikte bei hartem Sex sind keine unglücklichen Unfälle. Es sind Femizide.

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