In den USA findet sich bereits ein Drittel aller Liebespaare im Internet. Ihre Ehen halten laut einer Studie im Schnitt etwas länger und sind etwas glücklicher als die offline entstandenen.
Rolf ist ein 40-jähriger Schweizer Mann in Brüssel. Er wirkt geordnet, sauber, seriös. Die obere Hälfte seines Gesichts wird von einer schwarzen Hornbrille dominiert, die untere von einem Bart. Er trägt meist Hemden, professionell gebügelt und mit blütenweissem Kragen.
Aus jedem EU-Land eine Frau
Auf Tinder, dieser Dating-App, wo das Aussehen entscheidet, ob man weggewischt oder als ein Versprechen angechattet wird, ist Rolf mit seiner auf Normalität getrimmten Erscheinung «gut unterwegs», wie er sagt. Er hat sein Ziel, einmal mit je einer Frau aus jedem EU-Land zu schlafen, fast erreicht. Nur Malta und Litauen fehlen noch. Rolf freut sich: «Früher lernte man jemanden über die Arbeit oder seinen Freundeskreis kennen. Heute kommen auch total Fremde in Betracht. Heute kann es überall funken.»
Natürlich sei es reduktionistisch, jemanden allein aufgrund von äusserlichen Merkmalen zu bewerten, aber die Geschmäcker seien zum Glück verschieden, sagt Rolf. Einmal habe er auch eine sehr schöne Frau dann doch nicht getroffen, weil der Chat mit ihr «ein totaler Abtörner» gewesen sei. Und natürlich könne man nie genau wissen, was der andere wirklich wolle. Sex? Eine feste Beziehung? Manche Frauen verlangten auch einfach nur nach einer Bestätigung ihrer Attraktivität, diesen Leerlauf müsse man aushalten können, den gebe es auch offline.
Restaurant, Bar, Bett
Sein Tinderliebesleben sei so effizient wie abenteuerlich und in seiner Abenteuerlichkeit auch etwas monoton, sagt Rolf. Entweder Bar, danach Bett oder aufwendiger: Restaurant, Bar, Bett oder ernüchternd: Bar und kein Bett oder die schnellste Variante: Bett. Manchmal treffe man sich unverbindlich wieder, nur einmal habe er sich verliebt: «Ich wollte mehr. Sie nicht. Seither halte ich meine Gefühle besser unter Kontrolle.»
Doch bei aller Vorsicht träumt Rolf weiter: «Wenn ich die Liebe meines Lebens gefunden habe, gibt es für mich keinen Grund mehr für Online-Dating», sagt er.
Erfüllte Liebe bleibt ein altes Spiel: Ein – gegenseitiger – Kontrollverlust. Und alles wird gut.
Ursula von Arx (51) müsste sich jünger machen, wenn sie online einen Partner finden wollte. Dass sie keinen Doktortitel hat, wäre laut einer US-Studie jedoch ein Vorteil: Solche Titel erhöhen auf Onlineplattformen die Attraktivität der Männer, die der Frauen schmälern sie. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.