Über die Hoffnungen auf Elon Musk
Sehnsucht nach der Disruption

Donald Trump und Elon Musk bewirtschaften geschickt das Bedürfnis nach einer Neuordnung der Gesellschaft. Ob sie ihre Ankündigungen umsetzen können, ist offen – bei Heilsversprechen ist Skepsis angesagt.
Publiziert: 24.11.2024 um 00:30 Uhr
Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Es sind zwei schweiss- und adrenalingetränkte Stunden, die Mel Gibson dem Publikum mit seinem Meisterwerk «Apocalypto» von 2006 zumutet. Der Film spielt in der Maya-Zivilisation vor 500 Jahren – und zeigt eine brutale Menschenjagd durch den Dschungel Mittelamerikas. Als der Held in der Schlusssequenz von seinen Peinigern an einem Strand eingeholt wird, ist die blutige Feindschaft zwischen den Stämmen schlagartig vergessen: Im selben Moment erblicken die Eingeborenen spanische Schiffe.

Das Auftauchen der Eroberer kündigt die brutale Umwälzung des herrschenden Gleichgewichts an – und steht sinnbildlich für einen Begriff, der besonders seit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Modewort um den Globus geht: Disruption.

Die Digitalisierung wurde als Disruption der Wirtschaft gefeiert, als Tod der alten Ordnung. Durch Trump soll jetzt die politische Disruption folgen: als reinigendes Feuer gegen Staatswachstum, unkontrollierte Migration und Wokeismus.

Elon Musk personifiziert diese Hoffnung. Trump will dem Tech-Krösus als Sonderberater freie Hand geben, um den Beamtenapparat in Washington auszumisten. Die britische Zeitschrift «Economist» kürt den Tesla-Unternehmer diese Woche auf ihrer Titelseite zum «Disruptor-in-chief». Soll heissen: Die «Bromance» zwischen Trump und Musk hat das Zeug, die Welt zu verändern.

Woher aber kommt dieser Wunsch nach abruptem Wandel, der in der Begeisterung für Trump mitschwingt? Aus einem Gefühl der Schwäche – derselben Verzweiflung, mit der ein schlecht vorbereiteter Schüler bei einer Prüfung aus dem Fenster des Klassenzimmers schaut und fantasiert, dass draussen ein Meteorit einschlagen möge, derselben Sehnsucht, mit der die geknechtete Seeräuber-Jenny in Bertolt Brechts Dreigroschenoper davon singt, dass demnächst ein «Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen» ihre Unterdrücker vernichten wird.

Ob das Dream-Team Trump/Musk die versprochene Wende schaffen wird, müssen die beiden erst noch beweisen. Die ersten vier Jahre von Trump als Präsident mahnen eher zur Vorsicht. So leicht lässt sich der mächtige Staatsapparat nicht in die Knie zwingen.

Möglicherweise gibt es lediglich ein Disruptiönchen – weit weg vom weltgeschichtlichen Einschlag durch die spanischen Konquistadoren.

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