Leitartikel zum Jahreswechsel von Christian Dorer
Die goldenen Zwanziger – jetzt aber wirklich!

Lasst uns 2020 abhaken – und voller Zuversicht auf 2021 hoffen. Alles spricht dafür, dass es nur besser werden kann. Auch wenn wir im Pandemie-Jahr lernen mussten: Prognosen sind ein schwieriges Geschäft.
Publiziert: 31.12.2020 um 01:26 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2020 um 07:00 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Fröhlich und hoffnungsfroh hatte ich am 31. Dezember 2019 das neue Jahrzehnt begrüsst: «Willkommen, ihr Zwanziger!» Heute scheint das eine Ewigkeit her zu sein, damals aber wagte ich an dieser Stelle drei Prognosen für die 2020er-Jahre:

  • Die digitale Revolution geht weiter – in höherem Tempo.
  • Der Klimawandel verändert die Welt – und die Menschheit.
  • China wird noch stärker – aber zu unserem Gegenspieler.

Dass die neuen «Twenties» einen derart missglückten Start hinlegen würden, dass ein Jahrhundertvirus das Leben der Weltbevölkerung bedroht oder zumindest auf den Kopf stellt: kaum ein Beweis, dass der Mensch die wirklich grossen Ereignisse nicht kommen sieht, hätte eindrücklicher ausfallen können!

2020 wurde zur Belastungsprobe für unsere erfolgsverwöhnte Gesellschaft, die seit 1945 immer nur eine Richtung kannte: vorwärts! Heute ist unser Leben so durchorchestriert, vollkaskoversichert und überflussgesteuert, dass manche schon den Weltuntergang vor Augen haben, wenn beim Detailhändler statt zwanzig Pasta-Sorten mal nur zehn im Regal stehen.

Keine Frage: Das vermaledeite Virus Sars-CoV-2 bringt schweres Leid über die Angehörigen von Erkrankten und Verstorbenen, bedroht zahllose Beschäftigte mit Entlassung und nicht wenige Unternehmer mit Konkurs, stürzt viele in Einsamkeit und Depression.

Und doch ist der häufig bemühte Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg falsch: Damals starben mehr als 70 Millionen Menschen. In der Schweiz wusste niemand, ob die Väter lebend aus dem Aktivdienst zurückkehren, ob Hitlers Truppen uns überrollen, ob bald noch genug auf den Teller kommen würde … Von solchen Ängsten sind wir heute weit entfernt.

Zu Beginn der Pandemie war das Leben in der Schweiz geprägt von Solidarität und Mitgefühl – jeder sorgte sich um jeden. Heute herrscht vor allem Verdruss: über das nicht enden wollende Infektionsgeschehen, über die ebenso lästigen wie ineffizienten Abwehrmassnahmen des Staates, über nervende Corona-Ignoranten. Deshalb ist 2020 bestenfalls ein Jahr zum Vergessen.

Blicken wir also lieber nach vorn, auf das Jahr 2021! Wie könnte es werden?

Im schlechtesten Fall wird Covid-19 noch ansteckender, noch tödlicher, vielleicht sogar impfresistent. Dann werden sich die Gräben in unserer Gesellschaft vertiefen. Zwischen denen, die einen knallharten Lockdown verlangen und denen, die jede Massnahme für übertrieben halten – zwischen den Lebensschützern um jeden Preis und den Wirtschaftsschützern um jeden Preis.

Im besten Fall jedoch haben wir den Tiefpunkt der Krise bereits hinter uns. Dann geht die Zahl der Neuinfektionen mit dem erneuten Runterfahren der Gesellschaft zurück, dann gibt uns die grösste Impfaktion der Geschichte Schritt für Schritt unser gewohntes Leben wieder.

Dann werden wir feiern, festen, dinieren, tanzen, einander in die Arme schliessen, Hochzeiten nachholen, Konzerte besuchen und endlich, endlich wieder verreisen!

So könnte 2021 zum Jahr des totalen Aufschwungs werden und die lang erhofften «Golden Twenties» einläuten.

Denn streng genommen beginnt das neue Jahrzehnt ohnehin am 1. Januar 2021, weil jede Dekade mit einer «1» beginnt und einer «0» endet.

Das ist ein gutes Omen, weil die goldenen Zwanziger jetzt wirklich beginnen können!

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