Leitartikel von Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe, über den AHV-Steuerdeal
Von Kröten und Katzen

Am 19. Mai stimmen wir über eine eigenartige Vorlage ab: den AHV-Steuerdeal. Es ist der zweite Anlauf zur Steuerreform und der zweite Versuch einer AHV-Reform in einem. Beides im Päckli vorzulegen, wirkt stossend. Ein Ja ist trotzdem richtig.
Publiziert: 03.05.2019 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2019 um 01:44 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
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Christian Dorer

Vor etwas über zwei Jahren kommentierte ich an dieser Stelle die damals zur Abstimmung stehende, ziemlich undurchsichtige «Unternehmenssteuerreform III». Mit dem Hinweis «Kauft die Katze im Sack!» empfahl BLICK, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten und mit Ja zu stimmen. Doch 59 Prozent der Stimmbürger sagten Nein.

Einige Monate später ging auch die «Altersvorsorge 2020» bachab, ein Generationenprojekt, das die Zukunft der AHV gesichert hätte – unter anderem mit einer höheren Mehrwertsteuer und Rentenalter 65 auch für Frauen.

Durch die Ablehnung der beiden Vorlagen wurde keines der Probleme gelöst, um die es damals ging, im Gegenteil: Weil die Schweiz auf internationalen Druck Steuerprivilegien für international tätige Konzerne abschaffen muss, braucht sie ein neues Steuersystem, sonst wandern Firmen samt ihren Arbeitsplätzen ab. Und weil die Altersvorsorge nach dem alten System nicht weiter finanzierbar ist, wird sie für künftige Generationen umso teurer, je länger wir mit einer Reform zuwarten.

Inhaltlich haben die zwei Themen nichts miteinander zu tun. Aber weil die Bürgerlichen unbedingt eine Steuerreform wollen und die Linken unbedingt mehr Geld für die AHV, hat das Parlament beides zu einer grossen, mehrheitsfähigen Vorlage zusammengeführt: den AHV-Steuerdeal vom 19. Mai. Unternehmen sollen um 2,1 Milliarden Franken entlastet werden. Und die AHV soll 2,1 Milliarden Franken erhalten.

Staatspolitisch ist das natürlich paradox: Was macht ein Stimmbürger, wenn er für das eine und gegen das andere ist – soll er nun Ja oder Nein stimmen? Und wo führt es hin, wenn sich Politiker angewöhnen, Abstimmungsthemen nach Belieben zu mischen, damit sie mehrheitsfähig werden? Wie wärs dann zum Beispiel mit einer durchgehend sechsspurigen A 1 (für die Bürgerlichen), kombiniert mit einem Ausfuhrverbot von Kriegsmaterial (für die Linken)?

Wem Prinzipien heilig sind, der muss eine solche Vorlage ablehnen.

Doch im Leben gibt es nicht nur Regeln, sondern auch Realitäten. Eine davon: Die Schweiz kommt weder beim Steuersystem noch bei der Altersvorsorge voran, weil sich alle mit ihren Vorschlägen gegenseitig blockieren.

Dass beide Fragen dringlich sind, macht es nicht leichter: Mit dem geltenden Steuermodell ist die Schweiz international isoliert. Um nicht auf schwarzen Listen zu landen, müssen wir es ändern. Die Unternehmen aber brauchen endlich Rechtssicherheit, sonst wagen sie in der Schweiz keine neuen Investitionen mehr oder gehen gleich ins konkurrierende Ausland.

Weil wir immer älter werden und immer länger Rente beziehen, geht es auch bei der Altersvorsorge nicht einfach weiter wie gewohnt: Entweder zahlen wir mehr ein, arbeiten länger oder haben im Alter weniger.

Der AHV-Steuerdeal bringt in beiden Dossiers eine deutliche Verbesserung. Wer nicht auf Prinzipien beharren will, sondern an das Resultat denkt, der wird deshalb erkennen: Ein Ja ist besser als ein Nein. Wenn wir etwas gegen Katzen im Sack haben, sollten wir nun eben die Kröte schlucken.

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