Am Donnerstag war der neue Aussenminister Ignazio Cassis genau drei Monate im Amt. In Lugano TI versuchte er zu erklären, wie er im verkorksten Verhältnis zur EU eine Lösung finden will. Zuvor hatte er dazu mal dieses, mal jenes gesagt.
Den Menschen im Land aber bleibt nur in Erinnerung, dass Cassis in der Europa-Frage «den Reset-Knopf drücken» will. Wie beim Neustart eines Computers, der sich an seinen Daten verschluckt hat.
Cassis hatte den Begriff vor seiner Wahl in den Bundesrat geprägt, weil er nicht länger vom «EU-Rahmenabkommen» reden wollte. Bis heute erntet er Häme dafür: Er werde schon noch in der aussenpolitischen Realität ankommen, wo es um mehr gehe als ums Knöpfedrücken.
Dabei hat Cassis recht: Sein plakativer Ausspruch markiert einen Neustart. Mit Worten, die jeder versteht. Nach dem Abtritt von Didier Burkhalter war ein solcher «Reset» dringend nötig: Cassis’ Vorgänger hatte sich verrannt. Er bastelte an der Europapolitik im stillen Kämmerlein – ohne sie den Bürgern zu erklären.
Cassis’ Sprachbild ist zu verdanken, dass die Schweiz nun endlich diskutiert, ob es besser ist, im Verhältnis mit der EU auf Zeit zu spielen oder unverzüglich Rechtssicherheit zu schaffen.
Cassis macht es ähnlich wie Maurer. Der versprach als Verteidigungsminister, er wolle die «beste Armee der Welt schaffen». Das war natürlich absurd, weil die USA, China, aber auch Israel immer die besseren Armeen haben werden. Aber Maurer hatte eine wichtige Diskussion über Missstände angestossen.
Manchmal sind es Slogans, manchmal sind es bewusst gesetzte Symbole, manchmal einfach spontane Aussprüche, die Kultstatus erreichen. 1992 rief der damalige Bundesrat Adolf Ogi «Freude herrscht!», als er den Schweizer Astronauten Claude Nicollier via Liveschaltung im All begrüsste. Der Ausspruch wurde zu Ogis Markenzeichen.
Johann Schneider-Ammann bezeichnete die Bilateralen einst als «Königsweg» und machte sie unantastbar. Mit dem Begriff der «aktiven Neutralität» schuf Ex-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey mehr Raum für die Schweiz als Vermittler in internationalen Konflikten.
Ein Meister solcher Wortschöpfungen ist Christoph Blocher: Der SVP-Vordenker machte die «fremden Richter» den «schleichenden EU-Beitritt» und den «Kolonialvertrag» zu Ohrwürmern. Mit ihrer ständigen Wiederholung gibt er politischen Themen einen Drall, dem sich kaum jemand entziehen kann. Donald Trumps «America first» und Angela Merkels «Wir schaffen das!» gehören in dieselbe Liga.
Wenn plakative Begriffe eine festgefahrene Debatte in Gang bringen, ist das nie verkehrt. Bevor man aber ihrer Tendenz folgt, sollte man sich fragen, ob sie nicht nur gut tönen, sondern auch inhaltlich stimmen.
Aus diesem Grund versuche ich jede Woche an dieser Stelle etwas zu schaffen, ohne das in der modernen Gesellschaft keiner mitreden kann:
DurchBlick!
Das ist – Entschuldigung – natürlich auch ein Slogan ...