No Billag oder No No Billag? Die Schweiz erlebt einen der emotionalsten Abstimmungskämpfe in jüngster Zeit. Es geht um die Zukunft der SRG – ein extrem umstrittenes Thema.
Das zeigte sich am Mittwochabend bei BLICK on tour in Luzern: Erstmals trafen Doris Leuthard (54) und Olivier Kessler (31) direkt aufeinander. «Ich weiss nicht, in welcher Welt Sie leben!», wies die Medienministerin den Initianten von No Billag zurecht – und bezeichnete sein Volksbegehren als «Bockmist». Kessler gab zurück: «Panikmache!»
In Online-Kommentaren zu No Billag fliegt der SRG blanker Hass entgegen. Selbst seriöse Medien machen Propaganda gegen Schweizer Radio und Fernsehen. Die Tamedia, Herausgeber von «SonntagsZeitung», «Tages-Anzeiger» und «20 Minuten», druckte wochenlang Schlagzeilen, die eine Zustimmung suggerieren: «Drei von vier SVP-Wählern sind für die No-Billag-Initiative»! «So einseitig berichtet SRF über No Billag»! «Weiterhin klares Ja für No Billag»! «57 Prozent Ja zur No-Billag-Initiative»!
Kein Wunder: Tamedia würde mit dem Untergang der SRG viel Geld verdienen. Vor wenigen Wochen machte das Zürcher Verlagshaus ein Übernahmeangebot für den Werbevermittler Goldbach Media. Der vermarktet die Werbefenster grosser deutschen TV-Sender in der Schweiz. Gäbe es keine SRG mehr, würde dieses Geschäft – und damit der Umsatz von Tamedia – massiv zulegen.
Gestern gab der «Tages-Anzeiger» Gegensteuer und publizierte eine neue Umfrage, nach der 59 Prozent der Stimmbürger No Billag ablehnen.
Wie dem auch sei: Wer an Umfragen glaubt, verhält sich wie jemand, der wissen will, wie das Wetter ist – und statt aus dem Fenster auf sein Smartphone schaut. Selbstverständlich ist die Natur immer genauer als eine App. Und wirkliche Menschen vermitteln ein besseres Bild als jedes Meinungsforschungsinstitut.
Deshalb war BLICK on tour in Luzern ein guter Gradmesser. Mehr als 300 Bürger kamen zum Podiumsgespräch. Die Stimmung war eindeutig gegen No Billag. Wenn schon das konservative Luzern Nein zu dieser Initiative sagt, hat sie am 4. März wohl in der ganzen Schweiz wenige Chancen.
Dazu hat auch der schwache Auftritt der No-Billag-Befürworter beigetragen. Sie verstrickten sich allzu oft in Widersprüche. So verlangt die Initiative wörtlich: «Der Bund subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen.» Doch um zu belegen, dass die Sprachenvielfalt selbst nach einem Ja zu No Billag gewährleistet sei, argumentieren die Initianten mit Artikel 70 der Bundesverfassung, der die Förderung von Italienisch und Rätoromanisch vorschreibt. Ja, was gilt denn jetzt?
Von den Befürwortern der Initiative geht also keine allzu grosse Gefahr für die SRG aus. Sie kann es nur noch selber vermasseln – etwa mit der «gewissen Arroganz», die selbst Bundesrätin Leuthard beobachtet.
Auch dafür ein kleines Beispiel: Radio SRF 1 brachte einen ausführlichen Beitrag über BLICK on tour – sprach aber überheblich von einer «Veranstaltung in Luzern». Kein Wort darüber, dass ein anderes Medienunternehmen Organisatorin war. Das wirkte, als würde BLICK über die SRF-«Arena» berichten und von einer «TV-Sendung aus Zürich» schreiben.
Schwamm drüber! Das Westschweizer Radio hat korrekt berichtet, die Deutschschweizer Radio-Chefin entschuldigte sich. Doch die Petitesse ist ein Hinweis darauf, dass SRG-Generaldirektor Gilles Marchand (55) noch viel zu tun hat. Er versprach eine SRG, die bescheidener auftritt, weniger Geld kostet und mit privaten Medien partnerschaftlich zusammenarbeitet.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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