Der Deutsche Clemens S. (27) wird nun also doch nicht ausgeschafft. Obwohl er wegen tätlichen Angriffs verurteilt wurde, zu acht Monaten Gefängnis bedingt. Obwohl er wegen Körperverletzung, Besitz eines Schlagrings und Drogenkonsum vorbestraft ist. Obwohl er damit alle Kriterien für eine Ausschaffung erfüllt. Und obwohl das Bezirksgericht ihm einen fünfjährigen Landesverweis erteilt hat.
Dieses Skandalurteil wird noch viel zu reden geben. Denn es veräppelt die Stimmbürger.
2010 votierten sie mit 54 Prozent für die SVP-Ausschaffungsinitiative. Sie entscheiden sich damit gegen den abgeschwächten Gegenvorschlag des Bundesrats und für die harte Variante. Kriminelle Ausländer sollen demnach ohne Wenn und Aber ausgeschafft werden, wenn sie eines von rund 40 genau definierten Delikten begangen haben.
Doch weil der Volkswille nach Jahren noch immer nicht umgesetzt war, lancierte die SVP die sogenannte Durchsetzungsinitiative: Sie wollte im Detail in der Verfassung festschreiben, wie Ausschaffungen gehandhabt werden müssen.
Dieses Vorgehen aber war zutiefst unschweizerisch. Unser bewährtes System lässt die Stimmbürger zwar einen Grundsatz in die Verfassung schreiben, doch bleibt es dem Parlament überlassen, wie die Details der Gesetzgebung geregelt werden.
Im Abstimmungskampf versprachen die Gegner eine «pfefferscharfe Umsetzung» der Ausschaffungsinitiative. Darauf vertrauten die Stimmbürger – und lehnten die Durchsetzungsinitiative mit unmissverständlicher Mehrheit ab.
Und jetzt dieses Urteil! Eine Verhöhnung sämtlicher Stimmbürger: Wo bleibt die «pfefferscharfe Umsetzung»? Wo bleibt der Wille, die Entscheidung der Stimmbürger umzusetzen? Hatte das Volk nicht glasklar gesagt, kriminelle Ausländer sollen ausgeschafft werden?
Gut, es gibt eine Härtefallklausel für Verurteilte, denen in der Heimat Hinrichtung oder Folter droht, und für Täter, die bloss ein Bagatellldelikt begangen haben und deren Existenz bedroht wäre. Weder das eine noch das andere ist bei dem verurteilten deutschen Gewalttäter der Fall.
Die Richter argumentieren denn auch nicht mit der Härtefallklausel. Sie führten die mit der EU vereinbarte Personenfreizügigkeit ins Feld. Die sehe eine Ausschaffung nur bei schwerer Gefährdung der Rechtsordnung vor.
Eine solche Argumentation ist ebenso skandalös wie das Urteil selbst. Erstens wäre zu diskutieren, ob dieser Schläger wirklich keine ernsthafte Gefahr darstellt. Zweitens dürfte es der Europäischen Union gleichgültig sein, wenn die Schweiz einen deutschen Kleinkriminellen ausschafft.
Richter sind die dritte Macht im Staat. Sie sollen unabhängig abwägen und unbeeinflusst Recht sprechen. Aber sie sind nicht Gott. Sie sollen bitteschön den Rahmen der Gesetze ausschöpfen. Sie sollen bitteschön den Willen des Stimmbürgers respektieren. Und bitteschön nicht das Gegenteil tun!