BLICKpunkt von Christian Dorer über das Urteil gegen den Mörder von Rupperswil
Nie wieder!

Der Schutz der Gesellschaft ist wichtiger als das Schicksal eines Mörders. Deshalb darf Thomas N. nie wieder freikommen. Auch wenn Gutachter irgendwann glauben sollten, er sei nicht mehr gefährlich. Denn Gutachter können irren.
Publiziert: 16.03.2018 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:32 Uhr
«Darum darf Thomas N. nie mehr freikommen»
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BLICKpunkt von Christian Dorer zum Fall Rupperswil:«Darum darf Thomas N. nie mehr freikommen»
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Niemand wird je verstehen, was den Vierfachmord von Rupperswil ausgelöst hat, wodurch er möglich wurde, weshalb er geschah, wie ein Mensch überhaupt zu einer solchen Tat fähig werden konnte. Nach dem Prozess weniger denn je. Es ist und bleibt unbegreiflich, wie kaltblütig, wie berechnend, wie abgrundtief grauenerregend Thomas N. (34) vier Menschen abgeschlachtet hat. Und welches unbeschreibliche Leid er über die Angehörigen gebracht hat.

  • Die Eltern der ermordeten Carla Schauer (†48) leben nur noch physisch. «Psychisch sind sie tot», wie ihr Anwalt sagt.

  • Ihr Bruder leidet unter starken posttraumatischen Störungen.

  • Der Vater von Davin (†13) und Dion (†19) ist ein gebrochener Mann.

  • Die Halbschwestern weinen, wenn sie nur schon den Namen ihrer getöteten Brüder hören.

  • Zerstört ist auch die Familie von Simona F. (†21). «Ihr Verlust hat uns unvorstellbaren Schmerz zugefügt», sagte laut Anwalt Simonas Mutter.

Sogar ein Polizist im Gerichtssaal wischte sich eine Träne weg.

Der Prozess lieferte den Angehörigen trotzdem keine Antwort auf ihre verzweifelten Fragen. Weil eine solche Untat schlicht nicht erklärbar ist. Er brachte ihnen keinen Trost. Weil eine solche Untat untröstlich macht. Und diese Verhandlung brachte auch keine Gerechtigkeit. Weil es für eine solche Untat keine gerechte Strafe gibt. 

Der Prozess konnte lediglich eines klären: Kommt Thomas N. jemals wieder frei? Oder wird er für immer weggesperrt?

In früheren Fällen stellte das Bundesgericht fest: Wenn zwei Gutachter unabhängig voneinander zum Schluss kommen, dass ein Täter nicht therapierbar ist, dann – und nur dann – ist die lebenslange Verwahrung zulässig.

Im Fall von Thomas N. waren sich zwei Gutachter einig: Er ist therapierbar!

Staatsanwältin Barbara Loppacher (43) plädierte dennoch für lebenslange Verwahrung. Mit einer komplexen, aber cleveren Argumentation öffnete sie eine zusätzliche juristische Möglichkeit. Das war mutig – und ein unmissverständlicher Appell: dass alles getan werden muss, um die Gesellschaft für immer vor Thomas N. zu schützen.

Leider ist das Bezirksgericht diesen Darlegungen nicht gefolgt. Und das Bundesgericht wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso wenig tun.

Thomas N. wird also nur ordentlich verwahrt. Seine Gefährlichkeit muss immer wieder aufs Neue festgestellt werden. Gut möglich, dass er auch dann nie wieder freikommt. Aber nicht ausgeschlossen. Was aus drei Gründen falsch ist:

  1. Die Macht der Gutachter ist zu gross. Wozu haben wir Richter, wenn am Ende nicht-juristische Experten entscheiden?

  2. Selbstverständlich sollen Richter unabhängig urteilen. Aber im Sinne der Gesetze, welche die Stimmbürger beschlossen haben. Für wen – wenn nicht für Täter wie Thomas N. – wurde 2004 die lebenslange Verwahrung eingeführt?

  3. Gutachter können irren. Deshalb braucht es eine Risikoabwägung. Zum Beispiel diese: Besser, ein Thomas N. bleibt auch dann lebenslang verwahrt, wenn er laut Expertenmeinung nicht mehr gefährlich ist, als dass er freigelassen wird, weil er alle um den Finger gewickelt hat.

Denn: Welcher der Gutachter und Richter würde die Verantwortung dafür übernehmen, sollte Thomas N. eines Tages wieder morden?

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