Zugegeben: Als Donald Trump (72) kurzfristig seine Teilnahme am WEF absagte, war ich enttäuscht. Die Anwesenheit eines US-Präsidenten – egal, von welchem – hebt jede Veranstaltung auf Weltniveau.
Heute aber ist das 49. World Economic Forum zu Ende. Und ich muss mich korrigieren: Trumps Absage war das Beste, was geschehen konnte. Dass es ihm die britische Premierministerin Theresa May (62) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (41) gleichtaten, war zusätzlich ein Segen für Davos. Die drei haben gewaltige Probleme zu Hause. Aber was hätten sie in Davos erzählen sollen?
So aber kamen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur, die wirklich etwas zu sagen haben. Und sie brachten den Geist von Davos zurück: In der vom Winter verzauberten Bergwelt diskutieren gleichberechtigte Teilnehmer alle grossen Themen unserer Zeit. Wenn da eine Weltmacht dazwischenfährt und sich alles nur noch um eine Person dreht, geht diese wertvolle Nachdenklichkeit verloren.
Kurz: Ohne Trump und Pomp war das WEF deutlich weniger spektakulär. Dafür war es erheblich bedeutender – breiter und tiefgründiger als auch schon.
Was bleibt?
Angela Merkel (64) hielt eine eindrückliche Rede. Die Botschaft der deutschen Bundeskanzlerin: Unsere Welt funktioniert nicht ohne Kompromissbereitschaft von allen. Vielleicht erinnert sich die EU daran, wenn es um den Rahmenvertrag mit der Schweiz geht …
Mit eindrücklichen Zahlen zum Wirtschaftswachstum, sogar mit einer Frauenquote, meldete Japans Premier Shinzo Abe (64) die Wiederkehr seines Landes auf der Weltbühne.
Als Vertreter der jüngeren Politiker-Generation rief Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (32) zu mehr Mut und frischem Unternehmensgeist im Wettstreit mit den USA und China auf.
Uno-Generalsekretär Antonio Guterres (69) lancierte einen dramatischen Appell zur Rettung des Weltklimas: «Wir verlieren das Rennen gegen die Zeit, weil die Veränderungen viel schneller stattfinden, als wir meinten. Gleichzeitig sinkt der politische Wille, etwas zu tun.» Dabei sei die beginnende Klimakatastrophe die grösste Bedrohung in der Geschichte der Menschheit!
Kein Wunder, wurde Greta Thunberg (16) nun auch in Davos zum heimlichen Star. Die schwedische Umweltaktivistin schloss sich draussen den lokalen Schülerprotesten an, drinnen im Kongresszentrum redete sie den Mächtigen ins Gewissen. Und vermutlich ist sie die erste 16-Jährige, die je eine Audienz beim WEF-Gründer Klaus Schwab (80) erhalten hat.
Klima, digitale Revolution, Zukunft der Arbeit, Sinn des Lebens, China, Russland, Afrika, Saudi-Arabien: Kaum ein Land, kaum ein Thema, das in Davos nicht besprochen wurde. Für viele Teilnehmer war diese Woche Inspiration und Weiterbildung zugleich.
Ein Punkt aber fiel dieses Jahr negativ auf: Die Menschen können nicht mehr zuhören. Jedenfalls kaum noch länger als ein paar Minuten: Egal, wer redet, egal, wie hitzig die Debatte verläuft – viele tippen lieber auf ihren Smartphones herum. Die Frage drängt sich auf: Wieso sind die eigentlich hier?
Der helle Wahnsinn! Wir sind offenbar so süchtig nach Ablenkung, dass wir uns nicht mal eine Stunde lang konzentrieren können. Man erlebt eine Top-Weltauswahl von Top-Panels mit Top-Rednern – aber was gerade auf dem Smartphone läuft, scheint interessanter zu sein.
Im Januar 2020 findet das 50. WEF statt. Und vielleicht wäre es keine schlechte Programmidee: ein Handy-Entwöhnungskurs für WEF-Teilnehmer. Denn wenn sie niemandem mehr zuhören können – wie wollen sie dann die Welt verbessern?!