BlickPunkt über Wohnungs- und Asylnot
Flüchtlinge brauchen Schutz – Mieter auch!

Wenn schwerhörige Volksvertreter, schlampige Behörden oder gierige Vermieter zulassen, dass Menschen aus ihrem Zuhause vertrieben werden, zerstören sie die humanitäre Tradition der Schweiz.
Publiziert: 04.03.2023 um 00:48 Uhr
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Problem Nummer eins: die Wohnungsnot. Es gibt kaum noch freie Wohnungen, bis 2026 werden sogar 50’000 fehlen.
Foto: Philippe Rossier
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Christian Dorer

Problem Nummer eins: die Wohnungsnot. Während die Zahl der Menschen steigt, nimmt die der Neubauten ab. Es gibt kaum noch freie Wohnungen, bis 2026 werden sogar 50’000 fehlen, nicht nur in den Städten, mittlerweile auch auf dem Land.

Problem Nummer zwei: die Zuwanderung. Zunehmend strömen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und Elend ins Land. 2022 stellten 24’500 Flüchtlinge ein Asylgesuch – plus 64 Prozent! 2023 werden es weitere 27’000 bis 40'000 sein. 75’000 Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus sowie sämtliche übrigen Einwanderer kommen jährlich hinzu. Auch die müssen alle irgendwo wohnen.

In Windisch AG prallten Anfang Woche beide Probleme aufeinander: 49 Mieterinnen und Mieter einer Altliegenschaft erhielten die Kündigung – zunächst ohne Angabe von Gründen. In drei Monaten müssen sie ihr Zuhause räumen. Dann kam aus: Der Kanton will in ihren Wohnungen Flüchtlinge unterbringen.

Zu Recht fegt nun eine Empörungswelle durchs Land: «Das ist einfach nur mies!» – «Absolut beschämend für unser Land!» – «Wir stellen unsere eigene Bevölkerung auf die Strasse, das ist skandalös!» So und ähnlich schreiben uns Leserinnen und Leser.

Immerhin untersuchte der zuständige SVP-Regierungsrat den Fall sofort – und gestand Fehler ein. «Ich bitte die Betroffenen um Entschuldigung», sagte Jean-Pierre Gallati (56). Bei der Eignungsprüfung der Liegenschaft habe der von ihm geleitete Kantonale Sozialdienst nicht beachtet, welche Folgen die Kündigung für Mieterinnen und Mieter hat. Raus müssen sie trotzdem. Der Kanton gibt ihnen aber mehr Zeit und sucht individuelle Lösungen.

Doch selbst wenn der Fall Windisch einigermassen glimpflich ausgeht: Das Problem bleibt – es gibt in der Schweiz einfach zu wenig Wohnraum.

Kantone können daher die Asyl-Notlage ausrufen und Gemeinden oder Privateigentümer per Beschlagnahmungsverfügung verpflichten, Liegenschaften bereitzustellen. Und auch ohne Zwangsmassnahmen kann es für Vermieter lukrativer sein, Mietern zu kündigen und die frei werdenden Wohnungen für Flüchtlinge anzubieten.

Beides ist brandgefährlich. Behörden und Beamte, denen das Gespür für die Bürgerinnen und Bürger fehlt – also für ihre Arbeitgeber –, und Vermieter, die ihren Profit maximieren wollen, gefährden die humanitäre Tradition der Schweiz. Sie gefährden aber auch die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge, die einfach irgendwo Schutz suchen – und keinen Einfluss darauf haben, wo sie untergebracht werden.

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