Der Fall Blocher wird zum Fall Bundesrat
2:25
Blickpunkt zur Bundesratsrente:Der Fall Blocher wird zum Fall Bundesrat

BlickPunkt über Staatsgelder für einen Milliardär
Der Fall Blocher wird zum Fall Bundesrat

Zwei Rechtsgutachten stellen fest: Christoph Blochers Anspruch auf eine Rente ist längst verjährt. Dennoch bewilligt die Landesregierung eine nachträgliche Auszahlung für 13 Jahre. Und wer stoppt jetzt den Irrsinn?
Publiziert: 17.07.2020 um 22:55 Uhr
|
Aktualisiert: 18.07.2020 um 14:58 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Sogar seine eigenen Parteifreunde reagierten empört auf Christoph Blochers verspätete Rentenforderung: «Purer Altersstarrsinn», schreibt einer auf Blick.ch. Ein anderer meint: «Einer der reichsten Männer der Schweiz verlangt jetzt von den Steuerzahlern 2,7 Millionen, obwohl er seinerzeit medienwirksam darauf verzichtet hat. Ich würde mich schämen.» Und ein dritter: «Rente für Blocher, nicht aber für Entlassene kurz vor dem AHV-Alter: Ist die SVP noch glaubwürdig?»

Die meisten erinnern sich noch daran: Nach seiner Abwahl 2007 verzichtete Christoph Blocher auf jährlich 225’000 Franken Bundesratsrente. «Wenn ich jedes Jahr Geld aus Bern bekäme, würde mich das in der politischen Arbeit sehr einschränken. Darum verzichte ich lieber auf ein Ruhegehalt, auch wenn es mir zustände», erklärte er damals in der «Bilanz».

Dann aber verlangte der SVP-Doyen – 13 Jahre später – die Rente plötzlich rückwirkend: total 2,7 Millionen Franken! Obwohl seine Familie bereits auf rund elf Milliarden Franken Vermögen sitzt.

Seine Forderung mag dreist gewesen sein – der wahre Skandal liegt woanders: Der Bundesrat bewilligte die Zahlung an sein Ex-Mitglied – so enthüllte es der «Tages-Anzeiger» –, obwohl sie rechtlich nicht geboten war. Zwei Expertengutachten lagen zu dieser Frage vor. Beide besagen, dass Rentenansprüche nach fünf Jahren verjährt seien. «Man könnte es Geschenk nennen», titelte die Zeitung.

Das heisst: Der Fall Blocher ist zum Fall Bundesrat geworden.

Die Schweiz steht vor ihrer grössten Wirtschaftskrise: Zehntausende sind auf Kurzarbeit, Tausende haben ihren Arbeitsplatz verloren, Kleinbetriebe stehen durch die Corona-Pandemie am Rande des Ruins. Jedes vierte KMU rechnet damit, Kündigungen aussprechen zu müssen, eine Pleitewelle rollt auf uns zu.

In dieser weit mehr als ausserordentlichen Lage schenkt der Bundesrat einem Milliardär Millionen! Wie will er da je wieder seine Sparsamkeit begründen, wenn jemand oder eine Branche wirklich Geld bräuchte?

Die Finanzdelegation des Parlaments ist die einzige Instanz, welche die Auszahlung an Blocher noch stoppen kann. Nichts wäre dringlicher zu wünschen, als dass sie es auch tut!

Doch das ist nicht genug: Zudem braucht es eine Aufarbeitung dessen, was die Bundesräte geritten hat. Fürchteten sie den Krach mit Blocher? Oder hatten sie ihre eigenen Rentenansprüche vor Augen und wollten jedes Nachdenken darüber im Keim ersticken?

Wäre es so, dann ist es gründlich schiefgegangen: Die Diskussion über die Ausstattung der Bundesräte ist mit neuer Schärfe ausgebrochen. So könnte Blocher zum doppelten Sieger werden: Erstens hätte er dann seine Millionen eingesackt und zweitens die Akzeptanz von Ruhegehältern für Politiker auf ewig unterminiert.

Die hat er nämlich immer bekämpft – bis es um sein eigenes ging.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?