Was würde wohl Ihr Chef sagen, wenn Sie ihm mitteilen: Bis 2019 werde ich kündigen, wann genau, überlege ich noch!? Und wenn Sie als Chef erklären, dass Sie die Firma höchstens zwei weitere Jahre führen – wie würden dann Ihre Angestellten reagieren?
Der Chef würde natürlich sofort verlangen, dass Sie ihm ein konkretes Kündigungsdatum nennen. Und bei Ihren Angestellten könnten Sie sich kaum noch durchsetzen, weil alle nur noch auf den Nachfolger warten.
Bundespräsidentin Doris Leuthard war all das egal: Zum Abschluss ihres SRF-Interviews zum 1. August sagte sie, bis 2019 werde sie zurücktreten – also zum Ende der Legislatur, vielleicht schon früher.
Die CVP-Magistratin ist nicht die Einzige: Im Bundesrat betrachtet es fast jeder als seine ganz persönliche Angelegenheit, wann ein Rücktritt zu verkünden wäre. Dabei regelt die Bundesverfassung in Artikel 177 klipp und klar: «Die Bundesräte werden auf die Dauer von vier Jahren gewählt.»
In jüngster Zeit traten lediglich Micheline Calmy-Rey und Eveline Widmer-Schlumpf zum regulären Ende der Amtszeit zurück. Joseph Deiss, Samuel Schmid, Pascal Couchepin, Hans-Rudolf Merz, Moritz Leuenberger und Didier Burkhalter gingen, wann es ihnen gerade gefiel.
Viele Mitglieder der Landesregierung krönen ihre Karriere mit dem Bundespräsidium und treten danach ab, ohne dass die neu geknüpften Kontakte der Schweiz noch etwas nützen. Andere terminieren den Rücktritt zum taktisch günstigsten Zeitpunkt: Zum Beispiel einige Monate vor Wahlen, damit die Kandidaten der eigenen Partei lang genug in den Schlagzeilen stehen.
Leuthard gelang es mit ihrem Schachzug sogar, die mediale Aufmerksamkeit von den aktuellen FDP-Bundesratskandidaten auf jene der CVP zu lenken.
Fast alle nationalen Parlamentarier wollen gern Bundesrat werden und betonen, dass sie selbstverständlich nicht für sich selber antreten, sondern für ihr Land. Spätestens beim Rücktritt aber dreht sich alles nur noch um sie selbst.
So geht das nicht! Bundesräte müssen wieder darauf verpflichtet werden, ihre Arbeit – wie vorgesehen – bis zum Ende der Legislatur zu machen. Es sei denn, die Gesundheit oder ein unvorhersehbarer Schicksalsschlag zwingt sie, vorzeitig aufzugeben.
Dann könnte sich die Schweiz dreieinhalb Jahre lang den wirklich wichtigen Problemen zuwenden – und höchstens ein halbes Jahr den Bundesratswahlen. Doppel- und Dreiervakanzen wären die Regel. Das gäbe mehr Spielraum, eine grössere Auswahl, bessere Vergleichsmöglichkeiten – und es würden nicht länger jene gewählt, die zufällig das passende Parteibuch, die passende Kantonszugehörigkeit und das passende Geschlecht haben.