In der Nacht auf Donnerstag vor einer Woche begab sich der US-Präsident um 3 Uhr früh vom Weissen Haus zum Luftwaffenstützpunkt Andrews. Er wollte höchstpersönlich drei US-Bürger begrüssen, die Kim Jong Un kurz zuvor freigelassen hatte.
Es war der Höhepunkt der bisher erfolgreichsten Woche von Donald Trump (71): die Arbeitslosenzahlen so tief wie seit 18 Jahren nicht mehr; die Botschaft in Jerusalem, wie im Wahlkampf versprochen, offiziell eröffnet; die US-Gefangenen befreit; das Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Diktator verbindlich anberaumt: auf den 12. Juni in Singapur.
Manche Anhänger Trumps waren von all dem so verzückt, dass sie ihn allen Ernstes für den Friedensnobelpreis vorschlugen!
Die Freude war allerdings ein wenig voreilig. Erzürnt durch gemeinsame Militärmanöver Südkoreas und der USA, droht Kim inzwischen mit einer Absage der historischen Begegnung. Er setzt offenbar wieder auf das altbewährte Hin und Her – nach dem Motto: Wollen wir doch mal sehen, wer hier der Unberechenbarste ist!
Dennoch sind die Chancen dafür, dass sich Nordkorea endlich bändigen lässt, gar nicht so schlecht. Immerhin stand die Welt noch vor Monaten am Rande des Atomkriegs. Damals nannte Trump seinen Gegner Kim «ein armes Hündchen»; Kim nannte Trump im Gegenzug «einen geisteskranken Greis». Ein Horrorszenario, denn Kriege entstehen meist nicht durch abgewogene Entscheidungen, sondern dadurch, dass die Verantwortlichen den kühlen Blick auf die Geschehnisse verlieren, dass ihnen die Dinge entgleiten.
Trumps Psyche ist von allen Seiten analysiert worden. Über Kim weiss man nahezu nichts. Bekannt ist lediglich, wie autoritäre Herrscher generell funktionieren: Sie überlegen nicht, wie sie die nächsten Wahlen gewinnen; sie wollen ihre Macht auf ewig sichern. Diktatoren rechnen nicht in Monaten oder Jahren, sondern in Dekaden – besonders, wenn sie so jung sind wie Kim (34).
Ein Diktator hat nur zwei Optionen: Entweder er handelt kompromisslos brutal, oder er wird umgebracht. Einen Mittelweg gibt es für ihn nicht. Deshalb muss der Alleinherrscher bei allem, was er tut, das eigene Überleben an die erste Stelle setzen. Gelingt es ihm nicht, seine Macht zu erhalten, ist er früher oder später tot.
Aus diesem Grund sind bisher alle diplomatischen Bemühungen gescheitert, Nordkorea zur Vernunft zu bringen. Donald Trump jedoch handelt stets nach Bauchgefühl, nicht nach Strategie. Und: Er will wie immer einen Deal aushandeln. Es ist das Einzige, was er kann.
Trump droht und lockt: Ohne Deal werde Kim vernichtet wie Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi (†69). Mit Deal erhalte er nie da gewesene Sicherheiten und materielle Hilfen.
Man mag Donald Trumps Politik schrecklich finden und seinen Stil widerwärtig. Aber man sollte nicht aus Prinzip alles verurteilen, was er tut.