Wieder und wieder wurde der Schweizerischen Volkspartei ein Ende ihres politischen Höhenflugs prophezeit. Es war voreilig: 1991 hatte die SVP landesweit einen Wähleranteil von 11,9 Prozent, 2015 kam sie auf 29,4 Prozent – eine beispiellose Erfolgsgeschichte.
Da fällt es natürlich auf, wenn die grösste Partei des Landes plötzlich durch Pleiten, Pech und Pannen von sich reden macht. Bei den Ausserrhoder Kantonsratswahlen verlor die SVP am Sonntag fünf von zwölf Sitzen, in der Waadt unterlag der SVP-Regierungsratskandidat krachend einer Sozialdemokratin.
Im Aargau musste die Partei der eigenen Regierungsrätin ein Ultimatum stellen, weil sie ihre Dossiers nicht im Griff hat. Ein Zürcher Kantonsratskandidat ging einem als Wähler getarnten «Izzy»-Redaktor auf den Leim. Und von den bizarren Auftritten des SVP-Nationalrats Luzi Stamm (66) mit Koks und Falschgeld im Bundeshaus war wohl jeder politisch interessierte Schweizer irritiert.
An diesem Sonntag nun wählt Zürich seinen Kantons- und Regierungsrat. Weil die Zürcher Sektion als Herz der SVP gilt, dürfte das Resultat ein Gradmesser für die nationalen Wahlen vom 20. Oktober werden. Bei einer Umfrage Anfang März war die Zürcher SVP von 30 auf 28,2 Prozent abgerutscht, ein Minus von 1,8 Prozent.
Nur: Warum ist die Volkspartei für alle sichtbar aus dem Tritt geraten?
Die SVP hat die falschen Themen. Sie punktet, wo es um Ausländer und das Ausland geht. Doch die Flüchtlingsströme sind verebbt, und die anderen Parteien haben ebenfalls Vorbehalte gegen einen Rahmenvertrag mit der EU. Was derzeit das Volk bewegt – die Klima-Debatte, die Gesundheitskosten, die Altersvorsorge –, liegt jenseits der SVP-Kernthemen.
Die SVP kämpft mit dem Generationenwechsel. Bis heute ist der 78-jährige Christoph Blocher in der Partei unangefochten. Er hat die SVP zu dem gemacht, was sie ist. Doch ein ebenbürtiger Nachfolger ist nicht in Sicht. Die neue Generation ist in drei Flügel gespalten: den finanzstarken um Magdalena Martullo-Blocher (49), den traditionellen um Parteipräsident Albert Rösti (51) und den intellektuellen um Fraktionschef Thomas Aeschi (40).
Selbst in den Reihen der SVP ist die Kritik unüberhörbar – zum Beispiel von Ueli Giezendanner (65), der im Herbst nach 28 Jahren aus dem Nationalrat zurücktreten wird: «Wir müssen das Volk wieder mehr spüren und positive Lösungen aufzeigen. Immer nur Nein, Nein, Nein sagen reicht nicht.»
Gut: Wahlschlappen, Machtkämpfe und Skandale haben andere Parteien auch. Doch ein Problem hat nur die SVP: Sie ist vom Erfolg verwöhnt. Die Karriere von beinahe allen, die nach 1991 in der SVP aktiv wurden, kannte nur eine Richtung: nach oben! Diesen Kräften fehlt die Erfahrung, dass politische Siege nicht gottgegeben sind, sondern ungeheuer viel unspektakuläre, oft vergebliche Arbeit erfordern.
SVP-Übervater Blocher warnte seine Leute bereits vor Jahren: «Wir sind so erfolgreich, dass die Verlockung, sich auf den erreichten Lorbeeren auszuruhen, sehr gross ist.» Doch ausgerechnet damit scheint er in der eigenen Partei kaum durchzudringen.