Dieses geflügelte Wort kennt wohl jeder: «Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.» Beim neusten Skandal von Credit Suisse könnte man den Spruch abwandeln: Glaube keiner Untersuchung, die du nicht selber in Auftrag gegeben hast.
Am Dienstag befolgte CS-Präsident Urs Rohner (59) diese Devise und nahm seinen CEO vor den Medien mit einem Untersuchungsbericht in Schutz: Tidjane Thiam (57) habe von der Beschattung des abtrünnigen Star-Bankers Iqbal Khan (43) durch Privatdetektive nichts gewusst. Der Auftrag dafür sei ohne Thiams Wissen vom Leiter des operativen Geschäfts Pierre-Olivier Bouée (48) erteilt worden; der räume deshalb mit sofortiger Wirkung seinen Schreibtisch.
Sogar Leichtgläubige müssen da stutzig werden: Ist es nicht unglaubhaft, dass sich Thiam ausgerechnet über diese heikle Operation nicht mit Bouée abgesprochen haben soll – seinem engsten Mitarbeiter seit zwanzig Jahren? Ist es nicht auffällig, dass einige private Online-Mitteilungen zwischen den beiden gelöscht wurden? Ist es nicht bizarr, dass der private Streit zwischen Thiam und Khan gar nicht erst Thema der Untersuchung war? Ist es nicht seltsam, dass die CS noch nie jemanden beschattet haben will – ausser Khan, der privat Streit mit dem CEO hatte?
Und doch wies Rohner auch im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» jede Frage nach der Verantwortung Thiams zurück: «Ein Unternehmen unserer Grösse kann die besten Prozesse haben, aber es wird nie davor gefeit sein, dass eine kleine Gruppe von Personen ohne das Wissen der Chefs handelt.»
Wie anders stand da doch UBS-Konzernchef Oswald Grübel (75) 2011 hin! Ein Händler der von ihm geführten Bank verursachte damals in London einen Verlust von zwei Milliarden Franken. CEO Grübel hätte allen Grund gehabt, darauf hinzuweisen, dass sich dieser Betrugsfall seinem Einflussbereich entziehe. Er aber trat mit den Worten zurück: «Die Verantwortung trägt der CEO, also ich.» Dieser Beweis von Charakterstärke war einer der Gründe dafür, dass die Affäre seiner Reputation überhaupt nicht geschadet hat, dass Grübel noch immer einer der höchstgeachteten Schweizer Banker ist.
Um überrissene Saläre zu rechtfertigen, sprechen heutige Top-Manager gern von ihrer riesengrossen Verantwortung, weisen sie aber sofort von sich, wenn sie diese Verantwortung tatsächlich einmal übernehmen sollen. SBB-Präsidentin Monika Ribar (59) zum Beispiel verbat sich kürzlich im Interview mit der «NZZ» ausdrücklich die Frage nach ihrer Verantwortung für die Misere in ihrem Unternehmen!
Man darf Urs Rohner zugutehalten, dass er mit der lückenhaften Untersuchung im Fall Thiam seinen eigenen Ruf aufs Spiel setzt, um die Bank in ruhigere Fahrwasser zu manövrieren. Ob es ihm allerdings gelingt, bleibt abzuwarten. Wie schrieb gerade erst das führende britische Wirtschaftsblatt «Financial Times»? «Herr Thiam sollte sich fragen, ob er der Richtige ist, um die Credit Suisse aus dem Loch zu führen, in das sie durch die jüngsten Fehlentscheide geraten ist.»
Das tönt nicht gerade nach ruhigen Zeiten...