Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür, meint Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
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BlickPunkt von Christian Dorer:Chefs ihr müsst umdenken

BlickPunkt über die Altersvorsorge
Liebe Beschäftige, liebe Chefs!

Um unsere Altersvorsorge zu finanzieren, müssen wir in Zukunft länger arbeiten – denn die Lebenserwartung steigt. Damit ältere Menschen aber überhaupt Jobs finden, sollten auch die Arbeitgeber allmählich umdenken.
Publiziert: 10.05.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2019 um 05:59 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Ältere Menschen haben es seit je schwer bei der Stellensuche. Die Digitalisierung macht es ihnen noch schwerer, wie SonntagsBlick enthüllte: Immer mehr Firmen nutzen eine Rekrutierungssoftware – sie sortieren damit Dossiers älterer Bewerber gnadenlos aus. Die werden dann gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

Und weil unsere nördlichen Nachbarn gegenüber älteren Arbeitnehmern als offener gelten, lädt das Amt für Wirtschaft und Arbeit Basel-Stadt zu Infoveranstaltungen unter dem Titel «Arbeiten in Deutschland». Die Stellensuchenden sollen zwar in der Schweiz bleiben, aber in Deutschland arbeiten.

Dass Ältere so geplagt werden, steht komplett im Widerspruch zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Wir alle werden in Zukunft länger arbeiten müssen – ob es uns passt oder nicht!

Bei Gründung der AHV hatte ein Rentner bei der Pensionierung im Durchschnitt noch 13,5 Lebensjahre vor sich. Heute sind es bereits 21 Jahre, Tendenz steigend. Das sind wunderbare Nachrichten: Wer möchte nicht so alt werden wie möglich – gute Gesundheit natürlich vorausgesetzt?

Bloss geht das mit dem geltenden Finanzierungsmodell nicht mehr lange gut. Bereits heute schreibt die AHV 180 Millionen Franken Defizit – pro Monat! Wenn wir so weitermachen, ist unsere Rentenversicherung 2030 pleite. Immerhin dürfte sie bis 2035 über die Runden kommen, wenn sie mit der Abstimmung am 19. Mai 2,1 Milliarden pro Jahr zusätzlich erhält.

Bundespräsident Ueli Maurer warnte beim BLICK-Live-Talk: «Es brennt in der AHV! Das Problem wird unglaublich unterschätzt.» Um dann in seltener Schärfe hinzuzufügen: «Wir müssen den Menschen reinen Wein einschenken: Wir werden länger arbeiten müssen. Und wir werden mehr zahlen müssen.»

Maurer hat recht. Doch wenn über 50-Jährige keine Jobs mehr finden, wenn Arbeitgeber so viele Mitarbeiter wie möglich in Frührente schicken wollen und niemanden über das reguläre Pensionsalter hinaus beschäftigen, wird keine noch so kluge Reform funktionieren.

Deshalb müssen beide Seiten umdenken, Chefs wie Beschäftigte – und zwar so:

Arbeitgeber, schaut nicht aufs Alter, sondern auf Qualifikation, Motivation und Charakter eurer Mitarbeiter. Schätzt die Älteren und ihr Wissen, nutzt ihre Erfahrung, freut euch über ihre Treue! Helft denen, die wollen, über die Pensionsgrenze hinaus am Arbeitsplatz zu bleiben. Bildet eure Mitarbeiter ständig weiter, damit sie fit bleiben.

Arbeitnehmer, verabschiedet euch von der Wunschvorstellung, dass es mit Lohn und Karriere ein Leben lang aufwärts geht – am meisten Geld braucht ihr sowieso nicht kurz vor der Pensionierung, sondern für Kinder in der Ausbildung. Und bildet euch auch selbst weiter, bleibt offen für neue Entwicklungen, werdet offen für neue Aufgaben.

Als Pascal Couchepin 2003 die Diskussion um Rentenalter 67 lancierte, erlebte er einen Sturm der Entrüstung. Der damalige FDP-Bundesrat wurde als «Unsozialminister» beschimpft, seine Partei verlor die Wahlen.

Heute ist die Debatte zum Glück entkrampft. Viele Jüngere gehen ganz automatisch davon aus, dass sie länger arbeiten werden.

Die heutigen Rentner sollten sich dabei bewusst sein, dass sie als diejenige Generation in die Geschichte eingehen werden, der es so gut geht wie keiner zuvor – und wohl keiner nach ihnen.

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