Was für ein Paukenschlag! Chantal Galladé (46), langjährige Nationalrätin und Aushängeschild der Sozialdemokraten, wechselt nach 30 Jahren Mitgliedschaft zu den Grünliberalen. Das Nein der SP zum Rahmenabkommen mit der EU habe das Fass zum Überlaufen gebracht, begründet die Winterthurerin ihren Schritt.
Das wichtigste, das umstrittenste Dossier der Schweiz hat also zu diesem Eklat geführt: die Frage des Zugangs zum europäischen Markt, der mehr als die Hälfte unserer Exporte aufnimmt.
Galladés Parteiwechsel ist das bisher sichtbarste Zeichen für eine Umkehr. Als der Bundesrat im Dezember das Ergebnis seiner Verhandlungen mit Brüssel präsentierte, wurde es noch von links bis rechts zerzaust. Nun aber läuft nahezu unbemerkt alles auf eine Zustimmung hinaus.
Die FDP hat ihren Kurs korrigiert. Vor einer Woche stellte sie sich als erste Regierungspartei hinter den Vertrag. Grünliberale und BDP hatten sich bereits zuvor für ein Ja entschieden. Die CVP wird noch ein wenig murren – und dann ebenfalls einschwenken.
Die SP hat sich verrannt. Sie lässt sich ihren Europa-Kurs von den Gewerkschaften diktieren. Die aber verweigern alle Gespräche und versteifen sich auf absurde Bürokratismen wie die Acht-Tage-Regel. Ist es nur ein Zufall, dass sie mit den Kontrollen viel Geld verdienen? Während Ex-Gewerkschaftspräsident und SP-Ständerat Paul Rechsteiner völlig abgetaucht scheint, muss seine Partei nun Farbe bekennen: Fährt sie im Rucksack der SVP ins Wahljahr oder wird sie wieder zu dem, was sie einmal war: die Europa-Partei?
Die beiden mächtigsten Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Arbeitgeberverband unterstützen das Rahmenabkommen inzwischen offiziell.
Auch die Kantone haben eine Kehrtwende vollzogen. Die «NZZ am Sonntag» publizierte ein vertrauliches Papier der Konferenz der Kantonsregierungen. Sie äussert «Vorbehalte, beurteilt den Vertrag insgesamt aber positiv». Die Haltung der Kantone ist in der Schweiz oft entscheidend.
Klar gegen das Rahmenabkommen ist nur noch die SVP. Ihr Vordenker Christoph Blocher weiss jedoch, was auf dem Spiel steht. Er tut, was er bei bilateralen Verträgen gerne tut: mit sibyllinischen Randbemerkungen zurückkrebsen. Schon 1999 verzichtete er auf eine Unterstützung des Referendums gegen die bilateralen Verträge – mit der Begründung, solange der Bundesrat unfähig sei, etwas Besseres auszuhandeln, nütze es nichts …
Nun braucht es noch ein wenig diplomatisches Feingefühl, um Details im Vertragstext zu präzisieren, damit beide Seiten das Gesicht wahren. Und damit in Bern eine breite Front mit guten Chancen an der Urne für das Rahmenabkommen kämpfen könnte. Nicht, weil es die bestmögliche Lösung ist, sondern weil alles andere noch schlechter wäre.
Im Umgang mit dem Rahmenabkommen bewährt sich erneut das typische dreistufige Verhalten der Schweiz im Umgang mit aussenpolitischen Problemen – wie es zuletzt beim Bankgeheimnis zu beobachten war.
Erstens: Problem negieren.
Zweitens: Zeter und Mordio schreien.
Drittens: Einschwenken.