BlickPunkt über den Hass im Internet
Unter der Gürtellinie

Die Digitalisierung zeigt ihre dunklen Seiten: Noch nie war es so einfach, Menschen online zu beschimpfen – oder sie sogar zu erpressen. Dagegen müssen wir uns wehren. Aber auch die Politik darf nicht untätig bleiben.
Publiziert: 25.08.2018 um 01:17 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2019 um 17:39 Uhr
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Christian Dorer

Viele von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, schreiben mir, was Sie über den BLICK denken, nicht wenige antworten auch auf meinen BlickPunkt. Meist sind Ihre Zuschriften positiv, häufig sind sie auch kritisch. Aber manche schreiben anonym, hasserfüllt, zielen unter die Gürtellinie. Solche Mails lösche ich sofort. Und zwinge mich, nicht länger darüber nachzudenken ...

Noch üblere Mails erhalten Politikerinnen und Politiker. SP-Nationalrätin Yvonne Feri legte diese Woche im BLICK ihre Sammlung der unappetitlichsten Zuschriften offen. Vieles davon ist sexistisch, Todesdrohungen gehören dazu, aber auch Waren, die in ihrem Namen bestellt wurden.

Am Dienstag machte BLICK eine völlig neue Dimension von Cyber-Attacken publik: Hunderte Bürger, darunter auch Nationalräte, wurden mit mehrseitigen Schreiben erpresst. Wenn sie nicht zahlten, werde ihre Existenz zerstört. Dann würden in ihrem Namen Bombendrohungen versendet, Waffen im Darknet eingekauft, pädophile Bilder bestellt. Fein säuberlich listeten die Erpresser die Stufen der Zerstörung auf. Als finalen Schlag behielten sie sich vor, das Gesicht ihrer Opfer in ein Pornovideo einzubauen – ja, dank moderner Technik ist so etwas heute möglich!

Die Digitialisierung tritt derzeit in ein Stadium ein, wie es noch jede grosse Innovation mit sich brachte: Sie offenbart ihre dunkle Seite. Mit dem Auto kamen die Raserunfälle. Mit dem Kino der Porno. Mit der Kreditkarte der Betrug. Mit dem Smartphone die Sucht. Und doch können wir uns ein Leben ohne diese Neuerungen heute nicht mehr vorstellen.

Die negativen Folgen technischer Innovationen muss man selbstverständlich bekämpfen. Doch was Attacken aus dem Internet betrifft, befinden wir uns noch in der Chaos-Phase: Nichts ist undenkbar. Alles ist möglich. Und vieles wird tatsächlich gemacht. Wie die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) des Nationalrats einstimmig feststellt, unternimmt der Bundesrat im Kampf gegen solche heimtückischen Angriffe viel zu zögerlich viel zu wenig.

Die SiK hat recht: So lange wir nicht für einen wirksamen Kampf gegen Online-Erpresser gerüstet sind, so lange werden solche krassen Fälle sogar noch zunehmen.

Immerhin können wir – jeder von uns! –  im Kleinen unseren Beitrag gegen die Verrohung im Netz leisten. Dazu nur ein Tipp: Wenn Sie sich so richtig ärgern, wenn die Wut gegen eine Politikerin oder gegen einen Journalisten in Ihnen aufsteigt: Dann schreiben Sie sich diese Wut in einem Mail ruhig von der Seele.

Aber schicken Sie es nicht ab.

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