Niemand hatte die Sensation kommen sehen: Am Sonntag fegte die 31-jährige FDP-Politikerin Johanna Gapany im Kanton Freiburg den bisherigen CVP-Ständerat Beat Vonlanthen (62) aus dem Amt, einen verdienten Politiker, der sich seit 30 Jahren Stufe um Stufe hochgearbeitet hatte.
Die Genfer entsenden – nicht weniger überraschend – die Grüne Lisa Mazzone (31) als Standesvertreterin: eine junge, linke Aktivistin. In Zürich ersetzen die freisinnigen Wähler den Direktor des Gewerbeverbands, Hans-Ulrich Bigler (61), durch den Jungunternehmer Andri Silberschmidt (25) – der umtriebige Jung-Star schiebt ein Krokodil des alten Freisinns aufs Altenteil.
So geht es quer durch die Schweiz. Die Folge sind drei Rekorde im Nationalrat:
- Das Durchschnittsalter der Parlamentarier liegt bei 48,8 Jahren – und damit erstmals unter 50.
- 36 der Gewählten sind zwischen 30 und 39 Jahre alt.
- Sieben Gewählte sind sogar noch jünger!
Der «Tages-Anzeiger» titelte wenig schmeichelhaft «Das Parlament der Grünschnäbel» – und zitierte ältere Politiker, welche «die neue Jugendlichkeit mit Sorge zur Kenntnis nehmen», weil «viel Fachwissen verloren gehe».
Welche Arroganz!
Waren es nicht beinahe durchwegs ältere Politikerinnen und Politiker, die unser Land in den letzten vier Jahren nahezu in den Stillstand getrieben haben? Das Rahmenabkommen mit der EU: Steckt fest. Die Reform des Rentensystems: Ein Scherbenhaufen. Das Dauerproblem Gesundheitskosten: Noch immer ungelöst.
Dass allein Erfahrung aus einem Politiker einen guten Politiker macht, ist ein typischer Irrtum der alten Garde. Denn was den Jungen mit dem Rucksack eines langen Lebens fehlt, machen sie durch frischen Wind mehr als wett: Unabhängig von der Parteizugehörigkeit sind sie in einer anderen Zeit aufgewachsen, in vielen Fragen haben sie naturgemäss eine andere Einstellung.
Sie stehen der Digitalisierung positiver gegenüber, weil sie nichts anderes kennen. Sie sind offener in Gesellschaftsfragen, weil sie in einer offeneren Gesellschaft aufgewachsen sind. Sie sind internationaler, weil sie die Welt immer globalisiert erlebt und von klein auf englischsprachige Youtube-Clips geschaut haben.
Selbstverständlich stehen auch die Neugewählten für eine Parteilinie. Aber bei neuen Themen werden sie einander finden. Unserem politisch verhärteten Land verheisst das wieder mehr Kompromissbereitschaft, mehr Offenheit, mehr Dynamik.
Der allerjüngste Bundesparlamentarier Andri Silberschmidt sagt es am allerschönsten: «Wir sind weniger voreingenommen und frischer. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Nationalrätinnen und Nationalräte eine junge Allianz anstreben könnten – unabhängig von der Ideologie.»
In manchen Ohren tönt das möglicherweise exotisch. Doch ab Dezember sind die Jungen keine Exoten mehr unter der Bundeshauskuppel.
Und das ist gut so!