BLICKpunkt über den Frauenstreik
Was nun, liebe Männer?

Gleicher Lohn, gleiche Rechte, gleicher Respekt, gleiche Karrierechancen: Keiner kann ernsthaft etwas gegen diese Forderungen der Frauen haben. Die Frage, der sich jeder Mann jetzt stellen sollte: Was heisst das für uns?
Publiziert: 14.06.2019 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2019 um 07:08 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Streiks sind hierzulande unbekannt. Zum Glück! In der Schweiz stehen keine Züge still, bleiben keine Flugzeuge am Boden, weigern sich Spitäler nicht, Patienten aufzunehmen – bloss, weil wieder einmal irgendjemand für irgendetwas kämpft.

Der Frauenstreik am Freitag war deshalb ein viel beachtetes Ereignis. Zugleich war dies kein gewöhnlicher Streik. Er legte nicht einfach alles lahm und er propagierte auch keine eindimensionalen gewerkschaftlichen Forderungen.

Am gestrigen 14. Juni zeigte sich vielmehr eine landesweite Bewegung, die linke, rechte, junge, alte, urbane Frauen und solche vom Land vereinte – zu einem selbstbewussten «Aktionstag» auch für all jene, die mit dem traditionell linken Kampfmittel «Streik» nichts anfangen können. Oder, wie es «Südostschweiz»-Redaktorin Pierina Hassler formulierte: «Darüber, was uns ideologisch und politisch unterscheidet, können wir Frauen danach wieder diskutieren. Heute lassen wir uns nicht auseinanderdividieren.»

Die klügsten Gedanken kamen gestern überhaupt von den Journalistinnen dieses Landes. Katia Murmann, Chefredaktorin Blick.ch, schreibt: «Der Frauenstreik heute setzt ein wichtiges Zeichen. Danach aber heisst es: Raus aus der Opferrolle, rein in die Gestalterinnenrolle. Denn mit Nichtstun wird sich nichts verändern.»

Und «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin Judith Wittwer sagt: «Die neue Frauenbewegung ist kämpferisch, aber nicht verbissen. Sie passt in keine Schublade.»

«NZZ»-Redaktorin Nicole Rütti blickt nach vorn, indem sie zurückschaut: «Die Schweizer Geschichte ist reichlich befrachtet mit aufmüpfigen Frauen, denn jeglicher Fortschritt musste hart erkämpft werden.»

Und Doris Kleck, Co-Politchefin bei CH Media, gibt ihren Mitkämpferinnen ein einfaches, aber wirkungsvolles Rezept: «Wichtig ist, dass über die Probleme geredet wird, bis sie nicht mehr da sind.»

Dass die Probleme wegmüssen – darauf können sich wohl alle einigen.

Oder findet heute wirklich noch jemand, eine Frau solle weniger verdienen, weil sie eine Frau ist? Schlechtere Karrierechancen haben? Auf einen Beruf verzichten, weil sie Kinder hat? Sexuelle Gewalt einfach geschehen lassen?

Die Frage ist bloss: Warum kommt das alles noch immer vor?

Der Frauenstreiktag sollte für jeden Mann, vor allem für jeden Chef Anlass sein, sich zu fragen: Tue ich genug, um den Frauenanteil im Betrieb zu erhöhen? Suche ich aktiv nach Frauen für eine offene Stelle? Zahle ich einer Frau wirklich gleich viel, auch wenn sie nicht so hart verhandelt? Mache ich die Kombination von Familie und Beruf möglich? Oder gebe ich einem Mann bessere Chancen, weil mir ein Kandidat mit vergleichbarem Hintergrund und ähnlicher Biografie unbewusst nähersteht?

Sorgen wir dafür, dass der Frauenstreik Anstösse gegeben hat, die nicht in ein paar Wochen wieder vergessen sind! Dann war er ein Tag, auf den Frauen und Männer in unserem Land gleichermassen stolz sein dürfen.

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