Ob eine neue Bundesrätin oder ein neuer Bundesrat für den Job geeignet ist, zeigt sich immer erst im Amt – manchmal gibt es böse Überraschungen, manchmal gute. Die neue Verteidigungsministerin bestätigt diese Regel.
Noch vor einem Jahr hätte kaum einer gedacht, dass Viola Amherd (57) jemals in die Regierung gewählt würde. Die unauffällige CVP-Nationalrätin aus dem Wallis glaubte es wohl selber nicht. Nach dem Rücktritt von Doris Leuthard (56) ging sie die Kandidatur denn auch mit seltener Lockerheit an: Wenn es klappen sollte, sei das schön, wenn nicht, ebenfalls in Ordnung.
Dann wurde sie doch gewählt, und die Kollegen aus dem Bundesratszimmer versenkten die Neue gegen ihren Willen im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Sie solle sich an den selbstbewussten Generälen in der Männerdomäne die Zähne ausbeissen!
So bekam das VBS (Frauenanteil in der Armee: 0,7 Prozent) erstmals eine Chefin – dazu noch eine, die selber nie Militärdienst geleistet hat. Früher standen meist hohe Offiziere an der Spitze des Departements – Hauptmann Villiger, Major Ogi, Oberst Schmid, Major Maurer und, immerhin: Korporal Parmelin. «Als Frau wird sie Akzeptanzprobleme haben», unkte die «SonntagsZeitung».
Es kam anders: Während der ersten acht Monate im Amt verschaffte sich Amherd Respekt. Sie versuchte, das von Pleiten, Pech und Pannen aufgewühlte Departement erst zu begreifen, dann beruhigte sie es. Nun gleist sie die umstrittenen Zukunftsprojekte neu auf.
Am Mittwoch publizierte BLICK ein grosses Interview mit ihr. Aus ihren Antworten lassen sich fünf Erfolgsrezepte filtrieren:
1. Entwaffnende Ehrlichkeit
Viola Amherd sagt geradeheraus, was sie denkt. Und gibt offen zu: «Das VBS war nicht meine erste Wahl. Doch ich habe mich gut in die Dossiers eingearbeitet und gesehen, wie spannend das VBS ist. Es gefällt mir super!»
2. Unbefangene Neugier
Viola Amherd verlangt von ihren Mitarbeitern, dass sie ihr die Materie erklären. Sie räumt offen ein, dass sie vieles noch nicht versteht und zeigt sich offen für Argumente – aber einfach durchgewinkt wird bei ihr nichts mehr: «Mit gefällt, die Sache von einer anderen Seite her zu betrachten», sagt sie.
3. Kein Respekt vor Konventionen
Viola Amherd entzieht sich den Normen, die eine Männergesellschaft wie das Militär beherrschen. Ihr ist es egal, ob Offiziere die Augen verdrehen – etwa, wenn sie im BLICK die Idee des Jobsharings für Kommandanten lanciert.
4. Gesunde Lockerheit
Viola Amherd hat weder ihre Gelassenheit noch ihr Lachen verloren – obwohl sie im Bundesratsamt Druck, Ärger, Kritik und Intrigen ausgesetzt ist.
5. Hohe Glaubwürdigkeit
Dass Viola Amherd nicht aus dem Innern der Armee kommt, verwandelt sie in einen Vorteil – etwa, wenn sie über die Anschaffung neuer Kampfjets sagt: «Ehrlich gesagt: Ich verstehe von den einzelnen Typen nichts. Und die meisten Stimmbürger auch nicht. Die Auswahl müssen wir deshalb den Experten überlassen.»
Zugegeben: Die wirklich grossen Herausforderungen stehen Viola Amherd noch bevor. Zum Beispiel die Abstimmung über eine künftige Luftwaffe. Oder der nächste Armeeskandal.
Doch mit dem Arsenal ihrer fünf stärksten Waffen hat sie beste Voraussetzungen, auch diese Schlachten zu gewinnen.