Wider Erwarten hat Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson (55) doch noch einen Deal zustande gebracht, mit dem sein Land am 31. Oktober geordnet aus der EU austreten könnte.
Die EU-Mitgliedstaaten haben seinem Brexit-Vertrag bereits zugestimmt, heute Samstag tritt das Unterhaus in London zur Sondersitzung zusammen. Akzeptiert auch das britische Parlament den Deal – was alles andere als sicher ist –, wird sein Entscheid zur wichtigen Wegmarke für die Schweiz: Plötzlich liegt ein Rahmenabkommen zwischen Bern und Brüssel wieder im Bereich des Möglichen.
Dann nämlich öffnen sich zwei neue Zeitfenster für einen Kompromiss, mit dem die Schweiz und die EU eine rasche Lösung finden könnten. In beiden Fällen müsste Noch-Bundespräsident Ueli Maurer (68) handeln.
Zeitfenster Nr. 1 ist der letzte Monat der Amtszeit von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (64). Da dessen Nachfolgerin Ursula von der Leyen (61) für drei umstrittene Kommissions-Kandidaten keine Zustimmung des Europaparlaments erhielt, kann sie ihre Arbeit nicht wie geplant am 1. November aufnehmen, sondern frühestens am 1. Dezember.
Das könnte Juncker zum Anlass nehmen, nach dem Brexit auch das Dossier Schweiz in letzter Minute zu einem guten Ende zu bringen. Schliesslich hat er sich mit beiden Problemfällen jahrelang auseinandergesetzt. Allerdings müsste hierzu stufengerecht der Bundespräsident den Anstoss geben – und zwar rasch.
Zeitfenster Nr. 2 ist Ursula von der Leyens erster Monat als Kommissionspräsidentin. Maurer hat im Namen des Bundesrats bereits um einen Termin bei ihr nachgesucht: Er möchte sie noch vor Ablauf seiner Amtszeit als Bundespräsident treffen, also vor dem 31. Dezember.
Maurer müsste von der Leyen ermuntern, der Schweiz beim Lohnschutz entgegenzukommen. Das ist nicht chancenlos: Bis 2013 amtete die CDU-Politikerin als Deutschlands Arbeitsministerin und kennt daher die in der Schweiz geltenden flankierenden Massnahmen. Zudem kündigte sie bei ihrer Antrittsrede im Europaparlament eine eher soziale Arbeitsmarktpolitik an – und könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, dass die EU punkto Lohnschutz die Position der Schweiz zum Vorbild nimmt.
In der Politik zählen auch weiche Faktoren. Maurer und von der Leyen begegnen sich regelmässig, so etwa an der Bilderberg-Konferenz, und schätzen einander. Offensichtlich haben sie stets viel Gesprächsstoff, auch über Privates: Von der Leyen hat sieben Kinder, Maurer sechs …
Wenn Simonetta Sommaruga (59) im Januar 2020 Bundespräsidentin wird und in Brüssel zwei starke Frauen aufeinandertreffen, die noch nie miteinander zu tun hatten, müsste eine Vertrauensbasis erst noch entstehen.
Deshalb ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für den Amtsinhaber: Ueli Maurer, bitte handeln Sie!