BLICKpunkt über ausländische Callcenter-Agenten, die einen Schweizer Namen verwenden
Wie heisst du?

Das Problem mit den ausländischen Namen wird sich von alleine lösen. Es braucht dazu kein neues Gesetz, schreibt Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Publiziert: 30.06.2017 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:18 Uhr
Ein Job im Callcenter ist häufig eine harte Büez.
Foto: Getty Images
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Christian Dorer

Es war wie der Stich in eine Eiterbeule: Am Sonntag berichtete die «SonntagsZeitung», dass viele Mitarbeiter im Callcenter der Versicherung Swiss Life unter Pseudonym arbeiten. Weil Beat Müller oder Selina Keller mehr Policen verkaufen als Sanela Filipovic oder Alron Berisha.

BLICK-Recherchen zeigen, dass diese Praxis in Schweizer Callcentern üblich ist. Dies sei «krass diskriminierendes Verhalten», urteilt die Eidgenössische Rassismuskommission, «befremdend und komplett unverständlich» der migrationspolitische Verband Secondas, selbst der Branchenverband der Callcenter nennt das Versteckspiel für Mitarbeiter mit ausländischen Namen «nicht tolerierbar».

Betroffene betrachten das pragmatischer. BLICK-Redaktor Spiridon Petridis, der sein Studium mit einem Job im Callcenter finanzierte, telefonierte schon damals unter falschem Namen: «Ich habe deswegen kein Identitätsproblem.» Es sei sein Job gewesen, ein Produkt zu verkaufen, nicht, seinen griechischen Namen zu buchstabieren. 

BLICK-Leser sehen das ebenfalls locker: «Es ist ja nichts Persönliches, es geht ums Geschäft», schreibt einer. «Mir ist egal, wie jemand heisst – Hauptsache freundlich», ein anderer. Und der nächste argumentiert: «Auch Schauspieler haben Künstlernamen.»

Ist es denn schon Rassismus, wenn wir lieber mit Selina Keller statt mit Sanela Filipovic telefonieren?

Im Callcenter ist es vor allem praktisch. Der Kunde hat kein Verständigungsproblem, der Angestellte einen höheren Verkaufserfolg. Bedenklich wird es, wenn Menschen mit ausländischem Namen im In-Lokal unter Pseudonym reservieren müssen, weil sie sonst keinen Tisch bekommen. Und wirklich schlimm, wenn Sanela Filipovic wegen ihres Namens keine Stelle oder keine Wohnung findet.

Denn es ist grundsätzlich inakzeptabel, Menschen in eine Schublade zu stecken. Und eine Missachtung der Betroffenen.

Doch Forderungen nach einem Gesetz sind verfehlt, das anonyme Bewerbungen vorschreibt, bei denen weder Name, Geschlecht oder Gesicht erkennbar sind: Der Staat kann und soll nicht alles regeln – es widerspricht jeder freiheitlichen Ordnung, wenn Firmen oder Vermieter nicht mehr bestimmen können, mit wem sie einen Vertrag schliessen und mit wem nicht.

Ein Chef, der sich Talente entgehen lässt, oder ein Hausbesitzer, der seriöse Mieter ablehnt, weil ihm die Namen der Bewerber nicht gefallen, ist selber schuld.

Zum Glück ist das Problem mit «fremden» Namen ein vorübergehendes: Auch viele Italiener wurden einst abgelehnt – heute sind sie eingeschweizert. Es wird nicht lange dauern, bis es mit Secondos und Terzos aus Ex-Jugoslawien genau gleich geht.

Den Callcentern stellt sich eine weit wichtigere Frage: Bieten sie in ein paar Jahren überhaupt noch Arbeitsplätze für Menschen – egal, woher sie stammen – oder sitzen dort Sprechroboter? Die ändern dann ihren Namen, ihren Dialekt, ihre Stimmlage und ihr Geschlecht von Kunde zu Kunde.

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