Am Montag erschien der BLICK – zum ersten Mal in seiner Geschichte – mit einer Titelseite auf Türkisch und Deutsch. Die Schlagzeile unter einem Bild von Präsident Recep Tayyip Erdogan war ein Aufruf an alle Türkinnen und Türken in der Schweiz: «HAYIR oyu kullanın!» – «Stimmt Nein zu Erdogans Diktatur!»
Der Aufruf wurde gelesen und gehört, hüben wie drüben. Erdogan-treue Medien überschlugen sich vor Empörung. Das türkische Aussenministerium verurteilte BLICK «aufs Schärfste» und verlangt «Wiedergutmachung». Präsident Erdogan höchstselbst streckte den TV-Kameras die BLICK-Titelseite entgegen.
In der Schweiz fielen die Reaktionen mehrheitlich positiv aus – von Türken, seitens der Medien, im Bundeshaus. «Mutig, richtig und wichtig», fand etwa der einflussreiche FDP-Ständerat Philipp Müller den Aufruf. Wie die Ergebnisse einer repräsentativen Meinungsumfrage auf dieser Doppelseite zeigen, steht auch die Schweizer Bevölkerung hinter BLICK.
Was sind unsere Kernaussagen?
1. Wir zwingen der Welt nicht unsere Werte auf – die Türkei darf machen, was sie will. Die Haltung der Türken in der Schweiz jedoch: Die geht uns etwas an.
2. Wer hier lebt, hat unsere Grundwerte zu akzeptieren: gleiches Recht für alle, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung. All dies ist unverhandelbar. Deshalb lautet unser Aufruf an die mehr als 90'000 stimmberechtigten türkischen Staatsbürger in der Schweiz: Sagt Nein zu Erdogans Verfassungsreform! Denn sie will diese Grundrechte weitgehend ausschalten.
3. Von den Freiheiten der Schweiz zu profitieren, gleichzeitig aber diktatorische Verhältnisse in der Türkei zu fordern, ist inakzeptabel. Wer diktatorische Verhältnisse will, soll auch unter ihnen leben.
«Istanbul einfach», höhnte die NZZ – in Anlehnung an die Forderung aus dem Kalten Krieg, Kommunisten mit einem Billett «Moskau einfach» des Landes zu verweisen. Doch der Vergleich der NZZ hinkt: Damals ging es um die Gesinnung von Schweizer Bürgern. Heute geht es um Menschen mit türkischem Pass. Dass Zugezogene die Grundwerte ihres Gastlandes akzeptieren, erwartet jede Nation der Welt.
Manche fragen sich: Soll der BLICK überhaupt Stellung beziehen zu einer Abstimmung in der Türkei?
Klar doch! Es gehört zu den ureigensten Aufgaben einer Zeitung, ihre Werte zu vertreten, eine Haltung zu haben, sie in aller Deutlichkeit zu formulieren. Der Leser braucht damit nicht immer einverstanden zu sein. Ganz im Gegenteil: Er muss sich sogar reiben können an seiner Zeitung – und im Widerstreit der Argumente schliesslich seine eigene Meinung bilden.
Umso wichtiger ist dies in Zeiten, wo alles möglich scheint und kaum etwas verlässlich, in denen Regierungen, ja ganze Staatenbünde wanken. In denen es virtuelle Medien gibt, die keiner Verantwortung mehr folgen, die falsche Nachrichten und erfundene Fakten («Fake News») gezielt im Netz verbreiten, zum Teil im Auftrag autoritärer Regierungen. Wem darf man noch glauben, wem kann man noch trauen?
In verrückten Zeiten wie diesen sind traditionell recherchierende, verlässlich arbeitende, journalistisch die Spreu vom Weizen trennende Medien umso wichtiger – und gewinnen deshalb wieder an Bedeutung.
Die Abonnentenzahlen der «New York Times» sowie anderer seriöser Zeitungen und Magazine schnellten nach der Wahl von Donald Trump in die Höhe – weil man auf ihren Seiten im Gegensatz zum täglichen Twitter-Gewitter des Präsidenten nicht zuerst klären muss, ob es sich um Dichtung oder Wahrheit handelt. Und britische Medien befinden sich seit dem Brexit im Höhenflug, weil ihre Leser, Hörer und Zuschauer wissen wollen, was der Ausstieg des Königreichs aus der Europäischen Union nun konkret für sie bedeutet.
Menschen lassen sich nicht für dumm verkaufen. Die meisten wissen sehr gut, wem sie glauben können und wem nicht, sie durchschauen auch gut klingende, aber untaugliche Rezepte. Das führt nicht nur zum Aufschwung traditioneller Medien, es stärkt auch die Demokratie.
Zum Beispiel in Holland: Nach heftigem Wahlkampf und Prognosen, die Geert Wilders bereits als Sieger sahen, verlor der Populist klar: «Ein Fest für die Demokratie!» nannte es der wiedergewählte Premierminister Mark Rutte.
Dem ist nichts hinzuzufügen!