BLICKpunkt
Der Befreiungsschlag

Didier Burkhalter wird nicht als grosser Bundesrat in die Geschichte eingehen. Hingegen hat er einen starken Rücktritt hingelegt – und das ist selten in der Politik.
Publiziert: 16.06.2017 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:30 Uhr
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Christian Dorer

Das Medienecho nach dem Rücktritt war einhellig: Er habe in acht Jahren als Bundesrat kaum Spuren hinterlassen, sich in seinem hohen Amt nie richtig zu Hause gefühlt, irgendwann im Abseits gestanden und war am Ende ganz allein.

Nein, Didier Burkhalter wird nicht als grosser Bundesrat in die Geschichte eingehen. Seine Arbeit war solide, auf dem internationalen Parket zeitweise sogar richtig gut, im Inland aber blieb er ohne Resonanz. Auch sein Rücktritt war nicht gerade von Grandezza geprägt: Er überrumpelte seine Partei und das Bundesratskollegium wie ein Gymnasiast, der bisher weder positiv noch negativ aufgefallen ist, den letzten Schultag aber zu einer krachenden Überraschung nutzt.

Bei aller Kritik geht leider völlig unter: Burkhalters Rücktritt ist nicht nur eine Überraschung, er ist auch eine starke Leistung! Der Neuenburger war ein Leben lang Berufspolitiker. Und so war zu befürchten, dass er ewig auf dem Olymp der Schweizer Politik verharren würde. Burkhalter aber klammerte sich nicht ans Amt – trotz hohen Prestiges, trotz guten Salärs, trotz der Erkenntnis, dass es in der Schweiz kein höheres politisches Amt zu erringen gibt als Bundesrat.

Ein solches Loslassen hat Seltenheitswert. Für Politiker gehört es zum Schwierigsten überhaupt, den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg zu finden – nur schon, weil sie sich für unersetzlich halten.

Manche bewegen die Dinge, wenn sie kommen. Andere bewegen die Dinge, wenn sie gehen. Mit seinem Überraschungscoup verschafft Burkhalter der Schweiz jetzt den nötigen Spielraum für einen dreifachen Befreiungsschlag:

Das Europadossier kommt nicht voran, es ist völlig verfahren. Burkhalter verbiss sich in das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU – ohne Sensibilität dafür, dass es keine Mehrheit finden wird, ohne Plan, wie dies zu ändern sei, ohne Rückhalt im Bundesrat für das hohe Tempo. Sein Nachfolger als Aussenminister kann den Vertrag neu aufgleisen: die Sache mit den fremden Richtern klären, Mehrheiten suchen, die Schweizerinnen und Schweizer überzeugen. Noch besser könnte dies eine Nachfolgerin! Doris Leuthard wäre dafür prädestiniert. Sie ist glaubwürdig, gewinnend, weltgewandt, politisch beschlagen. Sie vereint alle Fähigkeiten, um dieses schwierigste aller Dossiers zu einem guten Abschluss zu führen.

Das Tessin hat nach 18 Jahren Chancen wie lange nicht, endlich wieder in den Bundesrat einzuziehen. Bisher gab es stets einen Grund, auf einen Tessiner zu verzichten. Nun aber stimmt die Konstellation: Die Westschweiz hätte nach wie vor zwei Sitze im Bundesrat, aber keinen zwingenden Kandidaten für einen dritten. Dabei ist unbestritten, dass der freie Sitz der lateinischen Schweiz gehört – also auch der italienischsprachigen!

Der Bundesrat muss sich zwar am Ende immer zusammenraufen, doch in der Klärungsphase ist Harmonie nicht gefragt: Da geht es um Inputs, Einwände, Debattenfreudigkeit und Engagement von allen. Von Burkhalter, so ist zu hören, kam da nicht mehr allzu viel. Der Nachfolger kann für neuen Elan sorgen.

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