Stellen Sie sich vor: Es ist Montag, aber niemand geht ins Büro. Das ist für die 12'000 Angestellten des US-amerikanischen Immobilienmaklers eXp Realty ganz normal. Wo auch immer die Mitarbeiter gerade sind, sie gehen auf eine virtuelle Insel arbeiten. Dort hat eXp die Firma angesiedelt. Die Angestellten loggen ihren Avatar ein, kleiden ihn täglich neu ein. Headset auf, Mikrofon an, und schon hört man auf dem Weg zum Campus richtige Stimmen. Wer jemanden unter vier Augen sprechen will, wechselt in den privaten Modus. Nur die Wohnungen und Häuser zeigen die Makler den Kunden noch persönlich, alles andere läuft online.
Der Firmengründer mag Games. Vor allem «Second Life». Und da ist er nicht der Einzige. Auch Erwachsene spielen gerne. Digitale Spielwelten fesseln. Milliarden von Stunden in der Woche verbringt die Menschheit mit Computerspielen ... Welche Firma wünscht sich das nicht: Mitarbeiter, die in ihrer Arbeit aufgehen, die Zeit vergessen und damit spielerisch den Job erledigen.
Also alles nur Spielerei oder Spinnerei? Mitnichten. Eines der grössten Job-Bewertungs-Portale der Welt, Glassdoor, hat eXp zum zweiten Mal nacheinander als einen der beliebtesten Arbeitgeber ausgezeichnet. Die Firma ist an der Technologie-Börse Nasdaq rund 600 Millionen wert. Seit 2014 hat sich der Kurs fast verzehnfacht.
In der Schweiz missverstehen viele Firmen ihre Angestellten gewaltig. Eine Untersuchung der ETH hat ergeben, dass nur gerade mal die Hälfte der Schweizer Firmen den Mitarbeitern erlaubt, ausser Haus zu arbeiten. Für viele kluge Köpfe ist es aber so wichtig, dort zu arbeiten, wo es ihnen gerade passt, dass sie ansonsten den Job gar nicht annehmen. Home Office motiviert und macht um zwölf Prozent produktiver, haben Forscher berechnet.
Ausgerechnet eine Immobilienfirma verzichtet auf eigene Firmenräume. In der virtuellen Firma wird es nie zu eng, Menschen aus der ganzen Welt können hier arbeiten. Sie ist billig und ökologisch. Derweil hat die Schweiz Büroflächen hochgezogen, die geisterstädtisch leer stehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Firmen oder auch Universitäten Beton durch Pixel ersetzen. #aufbruch
* Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.