Patrizia Laeri über künstliche Intelligenz
Fertig mit den Techno-Märchen

Künstliche Intelligenz wird hochgejubelt. Doch Menschen sollten lieber ihrer natürlichen Intelligenz vertrauen, schreibt Patrizia Laeri.
Publiziert: 27.11.2018 um 23:18 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2018 um 09:04 Uhr
Patrizia Laeri, Wirtschafts-redaktorin und -moderatorin von«SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ.
Foto: zvg
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Patrizia LaeriKolumnistin

Ich mag es nicht, für dumm verkauft zu werden. Schon gar nicht von künstlicher Intelligenz (KI). Die ist zurzeit noch sehr, sehr dumm, sagt Googles KI-Papst. Rattenfänger der Tech-Welt wollen einem aber das Gegenteil weismachen ...

Nehmen wir den Showroboter Sophia. Sie ist wunderbare Ingenieurskunst, aber nicht annähernd so gescheit wie ein Mensch. Die Maschinenfrau kann ein bisschen Gesichtserkennung und rudimentäre Konversation. Das Verblüffendste an Sophia ist ihr menschenähnliches Aussehen. Ihr Schöpfer hat zuvor in einem Disney-Park verschiedene computeranimierte Köpfe geschaffen. Er kommt aus der Unterhaltung und hat auch Sophia wie ein Puppenspieler inszeniert. Damit täuscht man das Publikum über den wahren Zustand der künstlichen Intelligenz. Die Jahrmarkt-Roboter vermitteln Laien ein falsches Bild. Mit fatalen Folgen: Technik wird überschätzt. Viele vertrauen ihr naiv. Auch die Geschäftswelt.

Es geht um viel Geld. Jede Firma, die was von sich hält, will und macht heute angeblich KI. Start-ups versprechen Roboter mit Seele und – Hokuspokus – sammeln bei verzauberten Investoren Millionen ein. Zeitgleich steigt der Druck, die Programme in Bares umzumünzen. Softwareentwickler sollen immer schneller neue KI-Lösungen auf den Markt bringen – auch wenn sie nicht perfekt sind. Und so bestimmen statistische Anwendungen – mehr ist es oft nicht – schon heute, welche Menschen zu welchem Preis Kredite bekommen, welche Menschen Jobs oder Krankheiten ... Und entscheiden oft falsch.

In China oder Indien verfolgen digitale Kreditverleiher ihre Kunden auf dem Smartphone. Die Algorithmen hat man mit solchen Studiendaten gefüttert. Doch stimmen diese Daten? Amazon musste soeben seinen Bewerbungs-Algorithmus stoppen, weil er Frauen zu Unrecht aussortierte. Gefüttert mit historischen Daten, stellte er lieber Männer an, da die Top-Bewerber früher meist männlich waren. Wenn Daten voller Vorurteile sind, dann ist es der Algorithmus auch.

Menschen fürchten, dass Computer zu gescheit werden und die Welt übernehmen. Das wirkliche Problem ist aber, dass sie zu dumm sind und die Welt bereits übernommen haben, wie Roboterwissenschaftler warnen. Menschen und vor allem Journalisten sollten aber künftig Algorithmen und ihre Resultate hinterfragen. Und ihrer natürlichen Intelligenz vertrauen. #aufbruch

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