Seit Mittwoch stehen die neuen Bundesrätinnen fest: Karin Keller-Sutter und Viola Amherd. Zwei Frauen, auf Anhieb gewählt – das gab es noch nie. Man war sich schnell einig: Diese Wahl ist historisch. So historisch, dass Frauen im ganzen Land von Arbeitskollegen, Geschäftskunden und Ehemännern beglückwünscht wurden. Und tatsächlich ist es ein Sieg für alle Frauen. Aber keiner, der lange währt.
Die neuen Bundesrätinnen sind nur das Feigenblatt, das eine Problemzone verdeckt: Es fehlt nämlich am Frauen-Nachschub. Im Nationalrat beträgt der Anteil weiblicher
Parlamentarier lediglich ein Drittel. Im Ständerat siehts noch schlechter aus, dort sitzen heute sieben Frauen 39 Männern gegenüber.
Und auch die gehen dem Stöckli allmählich aus: 2019 will nur noch die CVP-Politikerin Brigitte Häberli-Koller antreten. Nicht besser ist die Lage in den Kantonsparlamenten.
Dass die Frauen auch weiterhin der Politik fernbleiben, hat einen so schlichten wie altbekannten Grund: Die klassischen Rollenbilder sitzen noch immer tief. Jenes von der Frau als schwachem und jenes vom Mann als starkem Geschlecht.
Nach der Wahl von Viola Amherd zeigte sich das mehr als deutlich. Von Journalisten befragt, ob sie sich als Landesmutter sehe, sagte die neue Bundesrätin, sie nehme die
Bezeichnung gerne an. Dabei ist die Bezeichnung «Mutter» in der Politik alles andere als ein Kompliment. Es ist verharmlosend, es ist herablassend. Betitelt man eine Politikerin als Mutter, reduziert man sie auf die einzige Machtposition, die man Frauen schon immer zubilligt. Bereits Ruth Dreifuss wurde in ihrer Amtszeit als mütterlich, einfühlsam und fürsorglich verklärt, zuletzt als «Mutter aller Bundesrätinnen». Was sie geleistet hat, ging völlig unter.
Das alte Frauenbild poppt auch dann auf, wenn Politiker den tiefen Frauenanteil auf den Wahllisten erklären. In der Opposition werde man oft angegriffen, sagte SVP-Nationalrat Sebastian Frehner bei den letzten Wahlen. «Davon werden Frauen womöglich abgeschreckt, weil sie harmoniebedürftiger sind.»
Was diese Haltung für Politikerinnen bedeutet, brachte Susanne Leutenegger Oberholzer im SonntagsBlick auf den Punkt. Die kürzlich abgetretene Nationalrätin riet jungen Frauen, «auf einen Job in der Wirtschaft zu setzen, statt in die Politik zu gehen», weil man dort als Frau immer wieder unqualifizierten Anschuldigungen und Anfeindungen ausgesetzt sei.
Niemand hatte bisher eine Idee, was man gegen die antiquierte Verachtung für Frauen tun könnte, die ihren Teil an der Macht beanspruchen. Vielleicht wäre das die wichtigste Aufgabe für Viola Amherd und Karin Keller-Sutter.