Wie lange kann sich Belarus-Diktator Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko noch halten? Das Volk steht nicht hinter ihm, die Europäische Union anerkennt ihn nicht mehr als Präsidenten des osteuropäischen Binnenlands und Wladimir Putin sendet bislang keine sichtbaren Zeichen der Unterstützung.
Lukaschenko will dennoch keine Neuwahlen, Gesprächen mit der Opposition verweigert er sich. Doch die Frage ist nicht, was Lukaschenko will. Die Frage ist, was Putin will. Und der hat nur ein Interesse: Dass Belarus im Einflussgebiet Moskaus bleibt – ob mit Lukaschenko oder ohne.
Nun kämpft Putin selbst seit Monaten mit Protesten – im Fernen Osten Russlands. Er weiss, wie es die russisch-amerikanische Autorin Masha Gessen formuliert: Ein Autokrat hat grundsätzlich keine Möglichkeit, sich vor dieser Art von Massenprotesten zu schützen. Der einzige Ausweg, der ihm bleibt: den Hoffnungsträger der Bewegung zu töten. Das wäre ein plausibler Grund für die Vergiftung von Putin-Kritiker Alexei Nawalny.
Natürlich ist für Putin auch die neu erwachte Zivilgesellschaft in Belarus gefährlich. Allerdings liegen die Dinge dort etwas anders: Lukaschenko-Herausfordererin Swetlana Tichanowskaja will keinen Bruch mit dem Kreml.
In diesem Sinn kann Putin in Belarus noch zuwarten. Entweder hält Lukaschenko dem immensen nationalen und internationalen Druck unerwartet Stand, dann bleibt er geschwächt zurück und braucht Putin künftig umso mehr. Oder aber Putin arrangiert sich mit Tichanowskaja. Genau so hat er es 2018 in Armenien gemacht: Bei der «Samtenen Revolution» liess Moskau seinen Wunschkandidaten fallen, verhandelte erfolgreich mit der Opposition und konnte so seinen politischen Einfluss ohne grossen Einsatz halten.