M. Prix Stefan Meierhans kämpft für Konsumenten
Der Léman Express krempelt das ÖV-System um

Der Genfer-ÖV und der ÖV der französischen Grenzregion wachsen näher zusammen. Um dies zu ermöglichen, musste es auf Schweizer Seite Tarifanpassungen geben. Das ist gut so, denn diese Lösung ist zukunftstauglich, sagt der Preisüberwacher.
Publiziert: 23.09.2019 um 16:14 Uhr
Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Foto: Keystone
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Der Grossraum Genf steht seit Jahren kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Wir reden von mehr als einer halben Million grenzüberschreitenden Fahrten täglich, die zu mehr als 80 Prozent im Auto stattfinden. Kein Vergnügen, aber offenbar mangels Alternativen kaum anders zu bewerkstelligen.

Im Dezember 2019 wird nun der «Léman Express» in Betrieb genommen. Das schweizerische–französische Grossprojekt soll verkehrsmässig Linderung bringen. Die Erstellung der S-Bahn-Verbindungen war jedoch nicht die einzige Herausforderung des Projekts. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Tarifierung unter Einbezug des Genfer Zonensystems nicht mehr unverändert möglich war.

Deshalb wird der Zonentarif der Unireso-Tarifgemeinschaft in gewissen
Überlappungszonen mit dem Tarifverbund Mobilis (Waadt) auf den nächsten Fahrplanwechsel aufgehoben. Für Verbindungen wie Coppet–Genf wird danach der Streckentarif gelten. Was heisst für die Preise?

Die gute Nachrichten: Auf den betroffenen Strecken können dann auch Sparbillette verkauft werden – mit bis zu 70 Prozent Rabatt. Auch die vollen Halbtax-Reduktionen werden erhältlich sein, und einige Abonnements werden wohl auch günstiger. Wahr ist aber auch, dass einige Abonnements teurer werden. Warum?

Wir haben das Problem, dass sich unsere Wirtschaftsräume nicht an die Verbundgrenzen halten. In Genf arbeiten viele Menschen aus dem Kanton Waadt und aus Frankreich. Will man den ÖV nun diesen Realitäten entsprechend gestalten, müsste man drei ÖV-Finanzierungssysteme unter einen Hut bringen – nämlich den Genfer Unireso-Verbund, den Waadtländer Mobilis und das französische System. Eine faire und für alle passende Lösung im Rahmen des Zonensystems finden zu wollen, entspräche der Quadratur des Kreises.

Die Zonen aufzuheben und stattdessen die Streckentarife anzuwenden, ist eine einfache, faire Lösung, und sie ist zukunftstauglich. Die Streckentarife kennen nämlich für den Preis nur ein Kriterium, den Tarifkilometer. Man fährt 10 Tarifkilometer – man zahlt 10 Tarifkilometer, ob man eine Verbundgrenze passiert, spielt keine Rolle. Es gibt auch keine Gewinner bzw. keine Verlierer – je nachdem, ob man am Anfang oder am Ende einer Zone zusteigt.

Mit dieser Lösung kann sichergestellt werden, dass alle Kunden immer für das gleiche Billett den gleichen Preis zahlen. Wenn Sie sich jetzt fragen, ob das nicht selbstverständlich ist, dann muss ich Ihnen leider sagen: Das sollte es, ist es aber leider nicht. Durch die unterschiedlichen kantonalen Subventionierungen der Tarifverbünde, entstehen besonders in Grenzgebieten zwischen den Verbünden Situationen, in denen es für die gleiche Strecke unterschiedliche Preise gibt.

Auch kein unbekanntes Phänomen ist, dass es manchmal Sinn macht, ein Billett für eine längere Strecke zu lösen, als man eigentlich fahren will, weil man dann das Zonengebiet verlässt und der (günstigere) Streckentarif zur Anwendung kommt oder Sparbillette erhältlich sind. Das alles lässt sich perfekt mit unserem heutigen ÖV-System erklären, doch Fakt bleibt: Aus Sicht der Kunden ist das weder fair noch nachvollziehbar.

Unser ÖV-System muss kundenfreundlicher werden – Preisgerechtigkeit, Klarheit,
Nachvollziehbarkeit sind die Stichworte. In Genf macht man nun einen beherzten ersten Schritt in diese Richtung. Ich hoffe, dass kundenfreundliche und zukunftstaugliche Lösungen, die sich eben auch an unseren Lebens- und Wirtschaftsrealitäten orientieren, die künftige ÖV-Entwicklung prägen werden.

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