M. Prix Stefan Meierhans kämpft für Konsumenten
Das Zahnspangen-Roulette

Ruiniert sie mich oder komme ich davon? Welcher «Normalsterbliche» kann sicher sagen, was finanziell tatsächlich nötig ist, um dem Kind ein Leben mit einem fehlerfreien Gebiss zu ermöglichen? Kein Laie kann das, und das ist ein Problem, sagt der Preisüberwacher.
Publiziert: 07.10.2019 um 07:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2019 um 14:38 Uhr
Preisüberwacher Stefan Meierhans.
Foto: Keystone
Stefan Meierhans, Preisüberwacher

Das Zahnspangen-Alter – ein banger Moment für Eltern von Kindern, die nicht mit dem perfekten Gebiss gesegnet sind. Da die Wunderwaffen der modernen Kieferorthopädie getrost als Investitionsobjekte unbekannter Grössenordnung bezeichnet werden können, ist das Thema – auch bei den Eltern der Zielgruppe – in aller Munde.

Was kann man tun? Gibt es überhaupt Möglichkeiten, die Kosten zu beeinflussen?
Hier ein Erfahrungsbericht: Einem 7.-Klässler, der rein optisch keine grossen Auffälligkeiten hatte, wurde vom Schulzahnarzt eine Vorstellung beim Kieferorthopäden empfohlen. Der Termin fand statt, und auf die Frage der Eltern, ob eine Behandlung überhaupt nötig sei, bejahte der Spezialist und verwies auf die heutigen Standards (was auch immer das heissen soll).

Trotz leiser Zweifel – aber was wissen schon Laien von Kieferorthopädie – wurde das Prozedere gestartet. Röntgen, Abdruck und dann, korrekterweise, ein Kostenvoranschlag. Auf diesem war eine lange Liste kieferorthopädischer Apparaturen aufgeführt, und am Schluss prangte die immense Summe von 14'000 Schweizer Franken. (Mancher Occasion-Porsche wäre günstiger zu haben!)

Diese Summe sorgte jedenfalls dafür, dass dem Liebende-Eltern-Programm «Ich-will-nur-das-Beste-für-mein-Kind» ein kräftiger Schluss «Ist-das-wirklich-nötig-und-preislich-in-Ordnung?» zugesetzt wurde. Der daraus resultierende Zweitmeinungstermin brachte erstaunliche Erkenntnisse: Erstens hätte die vorgesehene Behandlung bei dem Zweitmeinungskieferorthopäden «nur» rund 8000 Franken gekostet. Darüber hinaus empfahl dieser Fachmann, von einer Behandlung abzusehen, da das Kind mit grösster Wahrscheinlichkeit seine (gute) Zahnstellung behalten würde.

Sehen wir von den körperlichen Torturen einmal ab, reden wir immer noch von 14'000 Franken für eine scheinbar unnötige Behandlung. Selbst wenn die Behandlung vorgenommen worden wäre, dann betrüge der Preisunterschied zwischen den beiden bernischen Fachleuten immer noch 6000 Franken.

Die Frage der Eltern, ob das rechtens sei, musste ich so beantworten: Der Zahnarzttarif kennt über 500(!) Einzelpositionen. Gezahlt wird nach Taxpunkten und Taxpunktwerten. Ausserhalb der Sozialversicherungen ist jeder Zahnarzt frei, die Höhe seines Taxpunktwerts selbst zu bestimmen und zudem die Anzahl Taxpunkte pro Tarifziffer je nach Betreuungsaufwand zu variieren. Es herrscht also
Wettbewerb – man kann die Taxpunktwerte der verschiedenen Zahnärzte vergleichen.

Nur leider nützt das wenig, wenn man nicht in der Lage ist zu beurteilen, welche Leistungen tatsächlich nötig sind. So gesehen ist der Wettbewerb hier sehr theoretischer Natur, denn rein praktisch kann der Laie ihn nicht nutzen. Ich habe schon oft angemahnt, dass dieses System überdacht werden sollte. Geschehen ist bisher leider nichts. So bleibt mir nur, Ihnen zu empfehlen: Verlangen Sie immer einen Kostenvoranschlag, und wenn dieser Ihnen hoch erscheint, dann holen Sie sich eine Zweitmeinung.

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