Wer Laientheater besucht, der kann etwas erleben – das wusste schon der Berner Troubadour Mani Matter, als er 1966 sein Chanson «Si hei dr Wilhälm Täll ufgfüert» veröffentlichte.
«Da bruuchts vil Volk, gwüss ds halbe Dorf het mitgmacht i däm Spil, / Die andri Helfti isch im Saal gsy bimne grosse Bier / Als Publikum, het zuegluegt und isch gspannt gsy, was passier.» Es folgt eine Saalschlacht im «Löie z Nottiswil».
Genau 22 Jahre ist es her, dass ich in dieser Zeitung über Laientheater geschrieben habe: «Amateure mit Profis und Profil», titelte ich einen Artikel im SonntagsBlick vom 18. Juni 2000 über die 20. Aarauer Theatertage.
Zur Jubiläumsausgabe liess sich die Veranstalterin etwas Besonderes einfallen: Sie stellte den Freizeitmimen Berufsschauspielerinnen und -schauspieler gegenüber – mit dem Ergebnis, dass die Amateure den Profis in nichts nachstanden.
Seither hat sich einiges getan: Die Aarauer Theatertage sind in dieser Form Geschichte, Laientruppen haben sich selber professionalisiert, und nächste Woche steht das zweite Volkstheaterfestival in Meiringen BE an.
Dort sind vom 15. bis 19. Juni acht herausragende Produktionen zu sehen, die um eine Goldene Meringue in verschiedenen Kategorien wetteifern. Ich werde in der Jury sitzen und bin gespannt, was ich zu sehen bekomme.
Ich liebe Theater in all seinen Formen. Ich sah die letzten drei Inszenierungen des Einsiedler Welttheaters von Volker Hesse und Beat Fäh mit all den engagierten Laiendarstellerinnen und -darstellern aus der Dorfbevölkerung.
Ich sah aber auch Inszenierungen von Peter Brook, Robert Wilson oder Christoph Marthaler; leibhaftig standen Profis wie Maria Becker, Bruno Ganz oder Willem Dafoe vor mir – eine wahre Offenbarung.
Doch nicht selten musste ich als Kritiker für verschiedene Zeitungen mühsames Berufstheater aussitzen – wegen der missglückten «Zyrikon»-Inszenierung focht ich mit dem Zürcher Schauspielhaus-Direktor Gerd Leo Kuck via Blick einen medialen Streit aus.
«Eine Uraufführung ist Gott sei Dank immer ein Risiko», sagte mir Kuck damals 1998 in einem Interview. «Einen grossen Teil der Subventionen erhalten wir für Risiken wie Uraufführungen.»
Subventionen, die Laientheater nicht bekommen – sie müssen ihre Kosten mit Sponsorengeldern und Ticketeinnahmen abdecken. Entsprechend haben sie ihre Ausgaben im Griff.
Da kommt es nicht von ungefähr, dass die Darstellerinnen und Darsteller gratis in ihrer Freizeit auf die Bühne stehen. Das braucht viel Herzblut und Engagement, wie man es nur bei Amateuren findet – wahre Liebhaber eben.
«Si hei dr Wilhälm Täll ufgfüert im Löie z Nottiswil / und gwüss no nienen i naturalistischerem Schtyl», singt Mani Matter und schliesst: «Si würde d Freiheit gwinne, wenn si däwäg z gwinne wär.» Und wenn es nur eine finanzielle Freiheit ist.