In der Schweiz spielt sich Erstaunliches ab. Die Wahl einer Politikerin im Ausland beschäftigt die hiesige Öffentlichkeit gerade in beispiellosem Masse.
Am Dienstag ist die Deutsche Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission gekürt worden. Seither treibt eine Frage die Eidgenossen um: Was heisst das für uns?
Eifrig werden politische Ferndiagnosen über die CDU-Frau erstellt. Für Schweizer Sonderwünsche dürfte sie «nicht unbedingt offene Ohren haben», vermutet der «Tages-Anzeiger». Die «NZZ» wittert einen Ausweg aus Europas «demokratiepolitischer Blockade». Die «Weltwoche» ortet «Grossmachtfantasien». Der SonntagsBlick hat mit zwei Biografen von «vdL» geredet.
Die Reaktionen verraten eine verdrängte Tatsache: Die mächtigste Person der schweizerischen Politik ist nicht der oberste Sozialdemokrat aus Bulle FR. Auch nicht der Bundespräsident aus Hinwil ZH oder der alt Bundesrat aus Herrliberg ZH.
Die mächtigste Person der schweizerischen Politik ist eine in Brüssel geborene Niedersächsin, die ab Herbst der Exekutive der EU vorsteht.
Das liegt nicht nur am Rahmenabkommen. Oder an den 120 bilateralen Verträgen. Oder am autonomen Nachvollzug, der uns de facto zum Passivmitglied der Europäischen Union macht.
Entscheidend ist: Die Schweiz gedeiht nur, wenn die EU gedeiht. Dass die Europäische Union gedeiht, ist der Job von «vdL». Das macht sie auch ein bisschen zu unserer Präsidentin.